Ein Resümee auf die Beständigkeit unsteter Dinge. Oder: Wie Alleine man im Nichts sein kann.
Gut am Arbeitgeber finde ich
Die Supervisorinnen im STAT Telefonstudio. Ihr habt einem das Leben einfacher gemacht. Danke. Es war auch insgesamt eine interessante Erfahrung. Ich glaube ich war weitestgehend fair.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
So pauschal ist das sehr schwierig. Lest lieber den Text.
Verbesserungsvorschläge
Damit muss ich mich nicht aufhalten. Ich bin weder in der Position noch in der Dringlichkeit Dinge zu ändern. Macht aus meinem Feedback was ihr möchtet, aber ich glaube es gibt sowas wie systemimmanente Zwänge und diese könnte man vielleicht etwas angenehmer machen.
Arbeitsatmosphäre
Die Arbeitsatmosphäre wurde eher durch die Kollegen getragen, da die monotoneren Abläufe einem eher die Stimmung vermiesten. Es war für mich einfach aus psychologischen Aspekten sehr anstrengend.
Respondent:innen waren manchmal kooperativ aber es gab auch diejenigen, die einen angeschrien haben, sich ausspioniert gefühlt haben oder insgesamt einfach nur sehr schnell fertig werden wollten. Es gab auch Verschwörungtheoretiker:innen, die das Ganze sowieso als staatliche Gängelung interpretiert haben. Wer kann es Ihnen verdenken?
Ich glaube die Meisten verstehen weder den Sinn noch den Zweck, einer telefonischen Befragungen, wenn die Daten dafür da draußen im Netz existieren. Ich habe meistens versucht die Kürze, die Verpflichtung und die möglichen Strafen in den Vordergrund zu rücken. War eigentlich immer sehr erfolgreich. Mittlerweile wird sowieso mehr online gemacht. Ich habe die Anfänge noch miterlebt. Es sollte wohl mehr passiert sein seitdem ich nicht mehr dort arbeite.
Kommunikation
Die Kommunikation in meiner Position war eher Top-Down. Man bekommt die Anweisungen wie Dinge durchzuführen sind von Oben. Telemark bekommt diese von der Statistik und ich gehe davon aus, dass es schwierig sein kann mit einem behördlichen Apparat zu interagieren, der einem Anweisungen gibt bzw. Parameter um bestimmte Vorgaben zu erfüllen. Problematisch ist das erst dann, wenn die Realität auf Theorie trifft. Es werden hier schließlich auch keine neuen Ideen entwickelt, sondern Verpflichtende Befragungen durchgeführt, welche Ihr theoretisches Framework auf die 60er zurückführen kann.
Kollegenzusammenhalt
Die Kollegen waren zumeist super. Man findet neue Freunde. Menschen die hier arbeiten, müssen ein bestimmtes Maß an kommunikativen Fähigkeiten besitzen, um ihren Job erfüllen zu können. Das Problem kommt erst später.
Es gibt aber auch ein paar Alteingesessene, die etwas problematisch sind. Meistens haben die sich bestimmte Strategien angeeignet, um die Befragung durchzuführen. Es gab diejenigen, die die Respondent:innen angeschrien haben (zumindest war es das, was ich neben ihnen mitbekommen habe. Ich kann nicht ausschließen, dass die Person am anderen Ende schwerhörig war). Ich würde dann aber die Frage in den Raum werfen, wie viele schwerhörige Menschen in Österreich ohne Hörgerät telefonieren. Es gab auch die, die mit Respondent:innen wie mit kleinen Kindern gesprochen haben. Eine Eigenheit, welche etwas an die Kommunikation mit Tieren erinnert hat.
Ich glaube diese Strategien sind ein Zeichen für die Vorgaben, welche von Oben vorgegeben wurden. Ein Zeichen eines kapitalistischen Systems, welches Menschen auf Zahlen reduziert und durch die reine Methodik einer Messbarmachung Individualität unterminiminiert. Das ist sowohl im Job als auch in der Arbeit merkbar.
Work-Life-Balance
Ich bin Student und habe in meiner Hochzeit 20 Stunden gearbeitet. Die meiste Zeit habe ich 10 Stunden gearbeitet und ich glaube es war eher ein Privileg, dass ich mehr Stunden arbeiten durfte. Wahrscheinlich hat meine Quote gestimmt.
Man nimmt keine Arbeit mit nach Hause. Man nimmt eher schlechte und gute Erfahrungen mit nach Hause. Der Job ist wirklich nicht einfach und die Menschen machten ihn manchmal schwerer als er sein muss. Manchmal hatte man aber auch sehr angenehme Gespräche mit Menschen, die einen davon abhielten gänzlich in die Misanthropie abzugleiten. Österreich ist ein sehr diverses Land auch wenn das manche nicht einsehen wollen. Ich hatte sie alle.
Ich meine hier ausdrücklich die Respondent:innen und nicht die Kollegen. Obwohl ich mal eine sehr seltsame Konversion mit einem Kollegen über Dollfuß führen durfte. Er war wohl ein Fan. Jedem das seine.
Vorgesetztenverhalten
Meine Supervisorinnen (da ausschließlich weiblich) waren immer Top. Im Übrigen erklärt das auch die 3 Sterne bei der Gleichberechtigung. Diese Waren dem Projektmanager unterstellt, der das Ganze geleitet hat. Ich hab absolut kein schlechtes Wort über ihn zu verlieren, aber ich hab ihn für etwas opportun gehalten. Zu seiner Verteidigung: In seiner Position hätte ich wohl auch so gehandelt.
Hierbei sei dem geneigten Leser erklärt, dass es durchaus vorkommt, dass man bestimmte Spitzen in einem Call Center hat. Um diese zu bearbeiten, benötigt man mehr Menschen, die diese Anrufe entgegennehmen oder diese tätigen können. Und hierfür wird man hin und wieder gebeten an Schichten zu arbeiten, die nicht der eigentlichen Einteilung entsprechen. Ein Zwang besteht hier nicht. Es ist eher eine intrinsische Motivation seinen Kollegen zu helfen, damit diese die Welle schaffen. Das wurde meines Erachtens etwas Instrumentalisiert.
Interessante Aufgaben
Wie bereits angeklungen sind die Aufgaben nicht wirklich interessant, da monoton. Man ruft an, überzeugt (oder auch nicht- das ist eigentlich der interessanteste Part), Man liest vor und trägt dabei die Antworten ein, man verabschiedet die Leute oder schafft den Raum für etwas Smalltalk, man legt auf.
Das einzig Interessante liegt in den einzelnen Charakteren. Wer etwas dafür übrig hat, sich immer auf neue Menschen einzulassen und dabei etwas offen ist, kann hieran etwas finden. Auf kurz oder lang macht der Job zynisch und ziemlich abgebrüht, da man schnell lernt Menschen in Schubladen einzuordnen. Man verliert auch ein wenig die Faszination für menschliche Sprache, da es sich hier um eine reine Funktionalität handelt. Ich hatte viel Zeit um nachzudenken, unterbrochen von meiner Stimme, die die immergleichen Sätze wiederholte. "Haben sie vom .... bis ..."
Die vorgenannten Punkte sind wohl auch der Grund für Personen merkwürdig zu werden, wenn sie lange in diesem Beruf gearbeitet haben. Es fehlt die Faszination und der Automatismus nimmt überhand.
Abschließend zu diesem Punkt muss ich sagen, dass die Aufgaben nicht interessant waren aber manche Gespräche blieben schon hängen.
Gleichberechtigung
Ich kann hier wenig systematisch sprechen, da solche Probleme normalerweise systematisch sind. Die Struktur habe ich bereits etwas dargelegt.
Es gab auf meiner Stufe keine Diskriminierung was Minderheiten angeht oder einen immanenten Sexismus. Bei solchen Dingen ist es aber wohl kaum die unterste Ebene die zählt. The subordinates don't speak, oder?
Mit Positionen, die im Unternehmen Macht haben bin ich bis auf das Vorstellungsgespräch nicht in Kontakt gekommen. Damals war das der Geschäftsführer also männlich.
Mir ist auch nicht bekannt ob es jemand für Gleichstellung im Unternehmen gibt, gab etc. Ich kann nur sagen, dass auf meiner Ebene keine Unterschiede gemacht wurden. Ich würde es aber begrüßen, wenn jemand der diesen Job anfängt solche Fragen stellt. Darüber habe ich mir damals keine Gedanken gemacht.
Die Drei Sterne rühren daher, dass ich es nicht weiß. Ich glaube aber auch nicht, dass zwischen dem Projektleiter und dem Geschäftsführer irgendwer Anderes war. In der direkten Hierarchie über Supervisorinnen waren es also Männer.
Umgang mit älteren Kollegen
Ältere Kollegen gab es ein paar aber ich glaube man muss einen speziellen Charakter haben oder eine bestimmte Biographie, um mit über 50 im Telefonstudio zu arbeiten.
Man konnte hier wenig von Älteren lernen, da man sowieso nur einen begrenzten Skilllevel erreichen konnte und wie bereits gesagt die Älteren sich zum Teil wirkliche Fauxpas geleistet haben oder Eigenheiten. Sie wurden aber toleriert, was den Umgang mit Älteren Kollegen also sehr gut macht. Sofern diese Kategorie so gemeint ist.
Arbeitsbedingungen
Steril - So würde ich das ganze Setting beschreiben. Ich habe zwischenzeitlich geglaubt, dass wir eigentlich die Versuchskaninchen sind in einem experimentellen Setting. Es gab auch Gerüchte von Testanrufen vonseiten der Statistik.
Sowas gab es aber nie wirklich. Es soll nur eher meine Gedankenwelt zeigen. Man hatte einen Platz, der aus einem Computer, einer Maus, einem Bildschirm und einem Telefon mit Headset bestand. Jeder Platz war austauschbar gleich <"Es gibt viele wie diesen, aber der hier ist meiner">. Meiner ist hier ebenfalls übertrieben. Der Besitz eines Platzes war streng auf die Schicht limitiert und wie gut man seine Kollegen kannte.
Ich hatte immer Jemanden, der mir Meinen frei hielt. Es war wohl angenehm neben mir zu arbeiten. Unter dem Headset hört man weniger die Anderen, sofern sie nicht in das Mikrophon brüllen. Da hilft es aber auch nicht die Quelle nicht direkt neben sich zu haben.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Ich kenne keine Initiative vom Unternehmen. Weder in Bezug auf die Umwelt noch was karitative Einrichtungen oder dergleichen angeht. Sie geben sehr vielen jungen Menschen einen Job, die ihn brauchen. Gleichzeitig, um in einem marxistischen Framing zu bleiben bedeutet Lohnarbeit immer auch Ausbeutung. Ob das nun eine Soziale Leistung darstellt sei mal dahingestellt. Sonst wäre aber auch jede Firma eine soziale Einrichtung. Wenn ich diese Kategorie also als mehr als gewöhnlich interpretiere, würde ich sagen nein und bewerte sie dementsprechend.
Gehalt/Sozialleistungen
Üppig war die Bezahlung nicht. Ich wurde nach Tarif bezahlt. Eine etwaige Überbezahlung gab es in meinem Fall nicht. Leistung hat ebenfalls nicht mehr Geld bedeutet. Ich kann hier wieder nur für meine Ebene und mit Einschränkung sprechen. Ich weiß nicht ob es für lange Betriebszugehörigkeit oder für höhere Stufen mehr Geld gab.
Image
Da die einzigen Personen, bei denen ich weiß, dass sie das Unternehmen kennen könnten die Respondenten sind oder die Statistik.... Ich würde eher sagen neutral bis schlecht.
Für die Statistik ist es das Unternehmen, dass eine Ausschreibung gewonnen hat und da man immer den Unternehmensnamen sagen musste und dann "im Auftrag der Statistik Austria", könnte wohl hin und wieder ein:e Respondent:in sich den Namen gemerkt haben. Da diese aber zumeist die Befragung als lästig empfunden haben bzw. als kleineres Übel, gehe ich nicht davon aus, dass sie den Namen mehrheitlich mit etwas Positiven verbinden.
Karriere/Weiterbildung
In sehr ausgewählten Einzelfällen vom Telefonstudio weiter in der Hierarchie nach oben (wenn ich hier einzelfall meine dann einen mir bekannten Fall). Die Supervisoren wurden zum Teil von den Agents rekrutiert.
In meiner Zeit gab es 3 neue Supervisorinnen und eine davon wurde aus den Reihen der Agents rekrutiert. Die anderen Beiden haben kurz Telefondienst geleistet und sind dann direkt zu Supervisoren geworden. Die Häufigkeit ist hier also nicht wirklich gegeben und einen internen Hinweis zur Bewerbung gab es nicht. Es war eher eine Beförderung und niemand den ich kannte, würde diese ausschlagen.