Als Einstieg in das Berufsleben oder als schneller CV-Pimp mittelfristig okay
Gut am Arbeitgeber finde ich
Insbesondere junge Kollegen profitieren von der Unternehmensstruktur. Anders als bei größeren Beratungsunternehmen bietet sich ihnen eine relativ schnelle Aufstiegschance zum Senior Consultant und nach entsprechender Betriebszugehörigkeit und Leistungsbereitschaft auch auf höhere Positionen. Darüber hinaus haben sie die Möglichkeit, in vielen Bereichen einschlägige Erfahrungen zu sammeln und sich damit ein umfassendes Portfolio zu erarbeiten.
Regelmäßige interne Schulungen sorgen für den nötigen Know-how Austausch. Junge Kollegen erarbeiten brandneue Themen und Tools und stellen sie ausgewählten Kreisen vor. Gelegentlich geben Mitarbeiter aus der erweiterten Führungsebene ihre fundierten Erfahrungen in Workshops und Schulungen weiter. Auffällig ist, dass seitens der sonst recht stark in Mikromanagement (häufig bezogen auf nahezu banale Angelegenheiten) involvierten Geschäftsführung selten inhaltliche Beiträge zur Weiterbildung geleistet werden.
Wie in vielen Berliner Unternehmen üblich, werden Getränke kostenlos zur Verfügung gestellt. Quartalsweise wird ein opulentes Mitarbeiterfrühstück durchgeführt, das die sonst in Kundenbetriebe verteilten Kollegen relativ ungezwungen zusammenbringt und als Plattform für kontinuierliche Information durch die Geschäftsführung dient.
Jährlich findet ein Sommer-Event statt, das sich über ein ganzes Wochenende streckt. Die gesamte Belegschaft reist freitagmorgens gemeinsam ab und verbringt zusammen zwei Tage und Nächte. In ausgelassener Atmosphäre werden, neben der Vorstellung von News aus der Geschäftsführung Team-Building Maßnahmen durchgeführt. Auch hier ist wieder auffällig, dass sich aus der beachtlichen Anzahl von 5 Geschäftsführern (auf ca. 50 Mitarbeiter) häufig nur einer an diesen Maßnahmen beteiligt. Das ist deshalb bemerkenswert, da sich die Geschäftsführung augenscheinlich immer um ein freundschaftliches, beinahe familiäres Miteinander bemüht. Diese Bemühungen beschränken sich jenseits der hehren Absichten oft auf befremdlich wirkende, mechanische Umarmungen zur täglichen Begrüßung aller Kollegen untereinander.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
In persönlichen Ausnahme- bzw. Extremsituationen zeigt sich dieser freundschaftliche Ansatz noch am Besten. Die Geschäftsführung begegnet individuellen Fällen mit großem Verständnis, Mitgefühl und Entgegenkommen. Wer im Arbeitsalltag jedoch auf dergleichen hofft, wird häufig enttäuscht. Es wird eine Art „latente Feindseligkeit“ geschürt. Zwischen den Zeilen wird aus der Geschäftsführung nicht nur eine Rivalität erzeugt, vielmehr wird vermittelt, dass Kollegen, deren Leistungen auch nur im Ansatz beanstandbar sein könnten, auch „nach Oben“ zu melden sind. Offen angesprochen werden diese Ansätze nicht nur dementiert, man droht jenen, die diesen angeblich ungewünschten Praktiken folgen, mit harten Konsequenzen.
Gegenseitige Unterstützung ist oft nur inoffiziell möglich. Mit dem Ansatz „Arbeit nur bei freigeschalteter Kostenstelle – alles andere ist F wie Freizeit“ liegt nahe, dass sich mit einer Aufgabe nur jene befassen dürfen, die für eine Aufgabe vorgesehen sind (soweit sachlich auch nachvollziehbar). Wird die Unterstützung eines nicht beteiligten Kollegen benötigt, so ist das unbürokratisch nicht möglich. Theoretisch müsste erst eine Genehmigung beantragt werden, bei der der eigentlich beauftragte Kollege nahezu bloßgestellt wird, weil er die ihm anvertraute Aufgabe nicht eigenständig bewältigen kann. Wer sich kollegial gibt und den Kollegen mit seiner Zeit ohne Freigabe spontan unterstützt, überschreitet bereits eine klar kommunizierte Grenze.
Selbst wenn Mitarbeiter durch beachtliches Engagement und einen beachtlichen Mehraufwand zu herausragenden Leistungen bzw. Ergebnissen kommen, gibt es nicht selten (gelegentlich auch öffentliche) Rüffel, wenn sie dabei die sehr kleinlichen Grenzen der Kostenstellen ausreizen und überschreiten. Möglichkeiten, einen Mitarbeiter in seine Schranken zu weisen, werden nur allzu gern wahrgenommen, selbst wenn sein Einsatz zu sehr guten Ergebnissen geführt hat.
Bemerkenswert ist, dass trotz dieser Lage dennoch Freundschaften zwischen einigen Kollegen entstehen und der Umgang (manchmal mit einer Art Galgenhumor belegt) allen Widrigkeiten trotzt und es auch fröhliche Momente gibt. Im Team werden die oft kontraproduktiven Ansätze der Mitarbeitermotivation und -führung quasi belächelt und man versucht aus der Lage das Beste zu machen.
Verbesserungsvorschläge
Es zeigt sich aber deutlich, dass der Spagat zwischen Freundschaftlichkeit und Professionalität nicht ohne weiteres gelingt. Die weiblichen Kolleginnen müssen oft Andeutungen und „Späßen“ begegnen, die nicht nur die Grenzen des guten Geschmacks überschreiten. Das Recht auf solche „Späße“ nehmen sich insbesondere die Herren aus der Geschäftsführung, vermutlich vor dem Hintergrund der vermeintlichen Freundschaftlichkeit. Möglicherweise wäre es sinnvoll, neben den fachlichen Schulungen auch solche zur Mitarbeiterführung in Erwägung zu ziehen. Dabei würden sie vielleicht auch feststellen, dass es keine Schande ist, ein Unternehmen ohne flache Hierarchien zu sein. Es sich bloß auf die Fahne zu schreiben ist einerseits nicht ausreichend und gibt andererseits nicht den Freibrief zu grenzwertigem Verhalten.
FAZIT:
Wer ein dickes Fell hat und bereit ist, über das ein oder andere hinwegzusehen, hat hier sicher die Möglichkeit, sich eine gesicherte Position zu erarbeiten. Fleiß und Können werden durchaus wahrgenommen, wenn auch nicht unbedingt offen gewürdigt.