Im Einzelhandel leider keine Überraschung
Arbeitsatmosphäre
Doppelmoral, Desinteresse und hierarchische Fehlerkultur ...
Vorgesetzte wirkten zumeist desinteressiert an der Arbeit der Mitarbeitenden und teils auch an dem Geschäft selbst. Während zwei Personen den vollen Laden managen schaut sich der Chef lieber noch ein paar neue Angelruten für den nächsten Urlaub an.
Was bei Vorgesetzten dabei unkommentiert hingenommen werden muss, ist Mitarbeitenden selbstverständlich strengstens untersagt.
Und auch Fehler bzw. ihre Konsequenzen wurden hierarchisch von oben nach unten durchgereicht - wenn also eine Entscheidung oder Anweisung der Vorgesetzten zu Fehlern führte, mussten die Mitarbeitenden das mit klären und abfangen.
Alles in allem wurde hier eine Atmosphäre geschaffen, die ein gemeinsames Arbeiten stark erschwerte und keine Vertrauensbasis zuließ.
Kommunikation
Kommunikation ist Nebensache
Lediglich die Information zur Kurzarbeit wurde kurz und knapp kommuniziert, andere Meetings oder Rücksprachen gab es selten.
Eine Ausnahme waren unregelmäßige Hinweise zu Neuheiten auf dem Uhren- und Schmuckmarkt mit der Aufforderung, das alle sich dazu in ihrer Freizeit selbstständig informieren sollten.
Kollegenzusammenhalt
Ein gemeinsames Feindbild vereint
Die Zusammenarbeit mit Kolleg*innen war meist geprägt von Oberflächlichkeiten und Lästereien. Da diese sich jedoch phasenweise eher auf Kund*innen konzentrierten und damit andere Mitarbeitende vorübergehend aus dem Fokus fielen, war zumindest in diesen Momenten ein gewisser Zusammenhalt gegeben.
Oft dominierte dennoch das Gefühl, das jeder Fehler und jedes Zeichen von Schwäche von anderen Mitarbeitenden und Vorgesetzten zum eigenen Vorteil genutzt und ausgespielt werden könnte.
Work-Life-Balance
Es ist der Einzelhandel ...
Verkaufsoffene Sonntage, Urlaubssperren und ggf. 6-Tage-Wochen erschweren die Planbarkeit, sind in dieser Branche meines Wissens nach jedoch normal. Auch dass angerechnete Arbeitszeiten mit den Öffnungszeiten nahezu gleichgesetzt werden, obwohl die eigentliche Arbeit bereits deutlich vorher beginnt und auch erst einige Zeit nach Ladenschluss endet, ist etwas, auf das man sich im Einzelhandel einstellen sollte.
Die Möglichkeit einen verkürzten Tag in der Woche zu nehmen, oder einen Samstag durch einen freien Tag unter der Woche auszugleichen ist hier dennoch positiv zu erwähnen, da es die Option eröffnet für typische Erledigungen und Behördengänge nicht extra Urlaubstage nehmen zu müssen.
Vorgesetztenverhalten
Mitarbeitende als Mittel zum Zweck
Wie oben bereits erwähnt war das Verhalten von Vorgesetzten hier einer meiner kritischsten Punkte. So wurde bspw. regelmäßig die Erfüllung fachfremder Aufgaben verlangt, um anschließend zu kritisieren, dass die eigentliche Arbeit noch nicht fertig ist. Führungsentscheidungen fühlten sich oft willkürlich an und wurden fast immer über die Köpfe der Mitarbeitenden hinweg getroffen.
Eine Ansprache der Umstände oder Kritik an den Entscheidungen führte dabei häufig zu Konflikten, die jedoch selten gelöst und dafür meistens durch das Ausnutzen der Machtgefälle ignoriert wurden.
Interessante Aufgaben
Ein interessantes Fachgebiet mit wenig Spielraum
Bei einem grundlegenden Interesse an Uhren, Schmuck und Kundenbetreuung gibt es hier viel interessantes zu erleben und zu lernen. Leider scheint die Verteilung der Aufgaben in manchen Bereichen etwas undurchdacht und wirkt dadurch teilweise ungerecht.
Im Großen und Ganzen ist es dennoch ein spannendes und abwechslungsreiches Aufgabenfeld.
Gleichberechtigung
Relativ ausgewogen
Meiner Wahrnehmung nach waren sowohl Frauen als auch Männer zu relativ gleichen Teilen auf den verschiedenen Ebenen der Hierarchie verteilt. Misogyne Sprüche und Vorurteile gehörten jedoch leider nicht nur von Seiten der Kund*innen zur Tagesordnung.
Umgang mit älteren Kollegen
Respekt vorm Alter
Ältere Kollegen wurden für ihren Erfahrungsschatz und ihr Engagement sehr geschätzt. Leider scheint diese Branche an sich jedoch einen relativ hohen Verschleiß und eine entsprechend große Fluktuation an Mitarbeitenden zu haben, weswegen es wenige Mitarbeitende bis ins hohe Alter in einem solchen Arbeitsumfeld aushalten.
Arbeitsbedingungen
Modernisierung ist kein Fremdwort
Aus technischer Sicht wurde sich hier wirklich viel Mühe gegeben. Dies ging leider selten von der Führungsebene aus, aber einige engagierte Mitarbeitende haben den technischen Ausbau so gut es ging vorangetrieben. Moderne Kassensysteme, funktionierende Computer und klimatisierte Räumlichkeiten... Mehr kann man im deutschen Einzelhandel eigentlich nicht verlangen.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Wichtig für's Marketing
Themen wie Umwelt- und Klimaschutz wurden intern eher belächelt. Woher Rohstoffe für Schmuck und Uhrenbänder kamen wurde meist nicht hinterfragt oder direkt ignoriert. Auch dies ist jedoch meines Erachtens nach zu großen Teilen der Branche geschuldet, da ein Händler auf die Hersteller angewiesen und dazu verpflichtet ist, ihre Produkte entsprechend ihrer Vorgaben zu vermarkten.
Die Möglichkeit Vorgaben der Hersteller zu hinterfragen oder anzusprechen blieb dennoch ungenutzt, was für mich den Eindruck hinterließ, dass derartige Themen für den Arbeitgeber keine große Relevanz hatten.
Gehalt/Sozialleistungen
Das Minimum muss reichen
Der Lohn und die Leistungsforderungen standen in keinem ausgewogenen Verhältnis. Die Mindestlohnanpassung zeigte sich damals deutlich auf meiner Lohnabrechnung. Auch beim Thema Sozial- oder Zusatzleistungen gibt es kaum etwas zu sagen, da es derartige Zahlungen oder Leistungen über das gesetzliche Minimum hinaus nicht gab.
Image
Außen hui, innen ...
Die Außenwirkung war vor allem gegenüber Kund*innen sehr wichtig. Intern zeigte sich, auch im Gespräch mit anderen Mitarbeitenden, dass die Realität dieses Bild nicht widerspiegeln konnte.
Karriere/Weiterbildung
Der Karriereleiter fehlen Sprossen
Aufstiegschancen oder Weiterbildungsmöglichkeiten waren kaum gegeben. Es wurde gefordert, dass alle Mitarbeitenden sich in ihrer Freizeit zu den vertriebenen Marken und Produkten umfassend informieren und fortbilden, jedoch wurde dies nie seitens des Arbeitgebers unterstützt.