Den Einstieg in die Branche schafft man nicht dank, sondern trotz Station bei Arrowsmith
Gut am Arbeitgeber finde ich
- Sehr gute und übersichtliche Arbeitsmaterialien.
- Man hat schnell das Gefühl, dass die eigene Arbeit auch einen Sinn für die Agentur hat und übernimmt schnell Verantwortung.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
First of all: Dieser Bericht dient nicht dazu, der Agentur eins auszuwischen! Allerdings möchte ich all diejenigen, die auf den Bericht stoßen und Arrowsmith als Ort für ein Praktikum erwägen entsprechend vorwarnen: Mich persönlich hat das Praktikum und die Umstände dort fast elementar daran zweifeln lassen, ob ich überhaupt in diese Branche möchte. Da ich noch weitere Praktika gemacht habe und inzwischen glücklicherweise in der Branche angekommen bin, kann ich sagen, dass die Zustände bei Arrowsmith so nicht der Standard sind. Vielleicht kommt ihr damit klar, dass ihr nur zuarbeitet und dadurch wenig neues lernt. Vielleicht kommt ihr damit klar, dass eure Kolleginnen fast ausschließlich andere Praktikantinnen sind und ihr die Inhaberin fast nie erreicht. Vielleicht kommt ihr damit klar, dass ihr verhältnismäßig wenig dazulernt und jede Investition, sei es finanziell oder anderes, für das Praktikum selbst tätigen müsst. Vielleicht kommt ihr damit klar, eigentlich die ganze Zeit von zuhause aus zu arbeiten und über Monate niemanden zu sehen oder wahlweise in einem engen Büro in Hamburg mit random Untermietern zusammenzuhocken, die mit der Branche nichts zu tun haben. Vielleicht kommt ihr damit klar, dass von euch ohne große Gegenleistung erwartet wird, dass ihr während eures Praktikums die Agentur unabdingbar als erste Lebenspriorität seht. Vielleicht ist es euch egal, dass ihr nie eine Art Zeugnis für eure Arbeit erhalten werdet. Sollte das alles der Fall sein: go for it, dieses Praktikum wird euch nicht brechen und die Zuarbeit kann sogar Spaß machen. Sollte euch das alles nicht egal sein und solltet ihr mit all dem eher nicht klar kommen: Es gibt so viele Unternehmen in der Branche, die sich mit Herzblut dafür einsetzen, dass sowohl Unternehmen, als auch die Praktis (!), von der Zusammenarbeit maximal profitieren und eure Arbeit honorieren. Arrowsmith ist leider, meiner Erfahrung nach, keins davon. Das kann einem egal sein oder nicht.
Verbesserungsvorschläge
- Das gesamte Konzept überdenken: Wenn das eigene Unternehmen ohne die Schar unbezahlter Praktikantinnen in dieser Form überhaupt nicht funktionieren würde, was meiner Wahrnehmung nach der Fall zu sein scheint, dann sollte man über Reformen nachdenken. Lieber auch mal in ein, zwei Festangestellte investieren (die auch nach einem Volontariat noch da sind), dann ist auch die Fluktuation nicht so hoch und die Agentur alles in allem produktiver. Es würde auch eine Menge Druck von den Praktikantinnen nehmen.
- Praktikantinnen nicht nur zuarbeiten lassen, sondern ihnen auch richtige Einblicke in die Agentur gewähren, vielleicht mal zu Meetings mitnehmen und den eigenen Tagesablauf ein bisschen transparenter teilen.
- Praktikumszeugnisse ausstellen (!!!). Das ist nicht nur ein unverbindlicher Vorschlag, sondern wirklich wichtig. Viele Praktikantinnen, die einen Job in der Branche möchten, brauchen so ein Zeugnis für spätere Bewerbungen und es ist echt überhaupt nicht in Ordnung eine Reihe von jungen Menschen unbezahlt zuarbeiten zu lassen und sie am Ende einfach ziehen zu lassen, als wären sie nie da gewesen. Das ist dann schlicht ausnutzen und bringt den Praktis für ihre Zukunft überhaupt nichts.
Arbeitsatmosphäre
Die Arbeitsatmosphäre war grundsätzlich von Druck geprägt. Der Workload war hoch, eine Mischung aus spontanen Aufgaben und dem tagtäglichen Routinegeschäft. Rückmeldungen erfolgten gefühlt nur dann, wenn etwas mal nicht gepasst hat. Es gab nur eine sporadische Einarbeitung, da in der gesamten Agentur zu meiner Zeit ausschließlich Praktikantinnen (und ein, zwei Volontärinnen sowie die unerreichbare Inhaberin) gearbeitet haben und davon fast alle remote waren (ich auch). Die Möglichkeit dazu ist ja ersteinmal löblich, führt aber auch dazu, dass man zuhause im stillen Kämmerlein seine Aufgaben abstottert, dadurch nur eingeschränkt dazulernt und selten bis über längere Zeit gar kein Feedback erhält. Trotzdem hat man das Gefühl, viel Verantwortung zu haben, da alle Aufgaben wie Einzelteile des großen Ganzen sind, ohne die die gesamten Abläufe nicht funktionieren.
Kommunikation
Ja, es gab die berühmtberüchtigen "Teammeetings". Die finden auch regelmäßig statt, jedoch wurden sie meiner Wahrnehmung nach immer schnell abgehandelt, ließen kaum Raum für Fragen und waren auch wirklich der einzige Weg, um überhaupt zu kommunizieren. Die Vorgesetzte war grundsätzlich unnahbar, die Mitpraktis und Volontärinnen oft selbst mit ihrem Kram so beschäftigt, dass da nicht so viel Raum blieb.
Kollegenzusammenhalt
An und für sich nicht zu beanstanden, jedoch ist mir eine Tatsache dann doch sehr negativ aufgestoßen: Alle paar Wochen ist urplötzlich eine "Kollegin" (aka Mitpraktikantin) einfach verschwunden und eine Neue aufgetaucht. Die vorherige war dann weg, frei nach dem Motto "aus den Augen aus dem Sinn". Folglich gab es kein konstantes Team und eine sehr hohe Fluktuation, was ein langfristiges Bonding sehr erschwert hat. Generell habe ich überhaupt nicht das Gefühl, dass ich während meiner Zeit dort langfristige Kontakte knüpfen konnte. Aber das kann ja auch einfach an mir liegen...
Work-Life-Balance
Im Praktikum hast du deine 40h die Woche zu arbeiten und der Agentur ist es sehr wichtig, dass das auch geschieht und während des Praktikums grundsätzlich immer unabdingbar die erste Priorität ist. Zugegeben, das weiß man vorher, man darf aber nicht vergessen, dass es sich um ein unbezahltes Praktikum handelt. Wenn folglich jemand einen Nebenjob ausgeübt hat (um es nochmal zu betonen: das Praktikum war unvergütet, irgendwovon müssen die Praktis ja leben), Hausarbeiten für die Uni schreiben musste (die meisten waren Pflichtpraktikantinnen und ihr Hauptjob somit eigentlich ihr Studium) etc, dann wurde auch erwartet, dass das hinten ansteht. Aus anderen Praktika in der Branche habe ich glücklicherweise mitnehmen können, dass das nicht der Normalfall ist!
Vorgesetztenverhalten
Sorry, aber gar nicht in Ordnung! Teilweise wurden meine Rückfragen an die Vorgesetzte komplett ignoriert oder erst Tage später beantwortet. Generell hatte ich das Gefühl, dass der Kontakt ausschließlich dann stattfand, wenn die Vorgesetzte etwas von mir wollte und nie anders herum. Dieses Muster zieht sich auch über die Zeit nach dem Praktikum hinaus: Das Ende meines Praktikums ist über ein Jahr her und ich habe noch immer kein Praktikumszeugnis erhalten, trotz höflicher Nachfrage. Ich glaube auch nicht mehr, dass da noch was kommt. Finde ich überhaupt nicht okay, alle Nachfragen in die Richtung werden konsequent ignoriert, nicht mal beantwortet. Meiner Meinung nach sind angemessene Praktikumszeugnisse die mindeste (!) Art um Wertschätzung gegenüber unbezahlten Praktikantinnen zum Ausdruck zu bringen. Da nicht einmal das geschieht, spricht das Bände.
Interessante Aufgaben
Die Aufgaben an sich waren jetzt nicht schrecklich, an manchen hatte ich sogar echt Spaß! Allerdings: Es war eigentlich ausschließlich Zuarbeit. Habe ich dadurch etwas gelernt, dass ich nicht schon vorher konnte? Habe ich etwas über Literaturagenturen erfahren, dass ich nicht schon vorher wusste oder mir leicht herleiten konnte? Beides leider nicht. Wenn ich auch bei einigen meiner Aufgaben Spaß hatte und Routineaufgaben zu Praktika numal dazugehören, so muss ich sagen: Alles was wirklich interessant gewesen wäre oder richtige Einblicke in den Alltag einer Literaturagentin ermöglicht hätte, war grundsätzlich "Chefsache" und für Praktikantinnen unzugänglich. Ich habe beispielsweise überhaupt gar keinen Einblick darin bekommen, wie der Alltag der eigentlichen Agentin nun aussieht. Zudem war es meinem Gefühl nach nicht erwünscht, dass die Praktikantinnen Einblicke in das "Große Ganze" erhalten. Die Sparten Rechte- und Lizenzen und Lektorat waren beispielsweise strikt voneinander getrennt und man hat sich untereinander nur in den Meetings kurz gesehen.
Umgang mit älteren Kollegen
In dieser Agentur wird niemand alt. Dort arbeiten, neben der Inhaberin, nur Frauen in den Zwanzigern, da alles entweder Volontärinnen oder Praktikantinnen sind (zu meiner Zeit, kann mir aber nicht vorstellen, dass sich das groß geändert hat), wovon letztere Gruppe maximal nach 6 Monaten, zumeist jedoch deutlich früher, aus der Agentur scheidet und, das leite ich aus dem Umgang der Agentur mit mir persönlich her, auch gar kein Interesse besteht langfristig Kontakt zu erhalten oder positiv in Erinnerung zu bleiben.
Arbeitsbedingungen
Der Arbeitscomputer ist top, die Programme übersichtlich und damit lässt sich gut arbeiten! Allerdings bin ich sehr froh, dass ich, von wenigen Tagen abgesehen, komplett in remote war: Das Büro der Agentur liegt zwar sehr zentral, keine fünf Gehminuten vom Hamburger Rathaus entfernt und macht von außen auch einen wirklich eindrucksvollen Eindruck, inkl goldschimmerndem Klingelschild. Allerdings trügt dieser Schein: Das Büro befindet sich in einem halben Dachgeschoss und präsent sind dort eigentlich nur die Untermieter, die mit der Agentur nichts zu tun haben. Da die meisten für die Agentur in remote arbeiten, ist das nicht verwunderlich. Ich habe mich im Büro nicht wohlgefühlt.
Gehalt/Sozialleistungen
Gar nichts! Klar, Praktika in dieser Branche sind immer unvergütet, allerdings darf man nicht vergessen, dass man bei Arrowsmith nicht in erster Linie lernende Praktikantin ist, sondern Arbeitskraft, ohne die das gesamte Konzept der Agentur in sich zusammensacken würde, so mein Eindruck. Das ganze Unternehmen auf einer Reihe von gänzlich unbezahlten Praktikantinnen aufzubauen ist meiner Meinung nach nicht in Ordnung! Hinzu kommt, dass vorausgesetzt wird, dass sich Praktis die Arbeitsmaterialien selbst aus dem Hamburger Büro abholen. Kommt man da aus Konstanz, München o.ä. kann so ein Ticket sehr schnell mal in den guten dreistelligen Bereich kosten. Bezuschusst wird dafür jedoch auch nichts.
Image
Hier gibt es eine große Diskrepanz zwischen Innen- und Außenwirkung. Auf alle, die nicht viel mit der Branche zutun haben, macht die Agentur einen sehr seriösen Eindruck. Vor allem die Webseite glänzt sehr im Vergleich mit Webseiten von ähnlichen Agenturen. Innerhalb der Branche sieht das jedoch ein wenig anders aus. Da ich inzwischen in der Branche tätig bin, habe ich schon voneinander unabhängige Meinungen gehört, die, gelinde gesprochen, eher ein unterdurchschnittliches Bild von der Agentur hatten. Das waren aber zu wenige Meinungen, um ein repräsentatives Bild davon zu haben.
Karriere/Weiterbildung
Überhaupt nicht, leider. Karriere ohnehin nicht, aber zum Thema Weiterbildung: Ich habe ausschließlich zugearbeitet und deshalb nicht das Gefühl einen genuinen Eindruck von dem Berufsbild der Literaturagentin zu haben. Liegt wohl auch daran, dass die eigentliche Agentin sehr unnahbar ist und einen in die wirklich spannenden Aufgaben nicht involviert, einen in dieser Hinsicht auch nichts erklärt und so die Weiterbildung komplett auf der Strecke bleibt, obwohl diese ja das Ziel eines Praktikums ist. Klar, als Praktikantin gehören Routineaufgaben dazu, allerdings habe ich aus meinen anderen Praktika viel mehr mitnehmen können, da die Unternehmen mich dahingehend entsprechend weitergebildet haben. Wenn in diese Richtung gar nichts kommt, dann erschließt sich der Sinn des Praktikums nicht.