Unmodern und unflexibel
Arbeitsatmosphäre
Ich würde die Atmosphäre insgesamt als neutral einstufen, allerdings war sie während des Insolvenzverfahrens verständlicherweise äußerst angespannt. Der Job wurde durch verschiedene Faktoren teilweise sehr erschwert und es herrscht keine vernünftige Fehlerkultur. Einzig die Geschäftsführung hält sich für unfehlbar, wer sich hier ein wenig quergestellt hat, ist schnell in Ungnade gefallen.
Kommunikation
Die unternehmensinterne Kommunikation gestaltete sich insgesamt als sehr beschwerlich, da wirklich jede kleine Aktion mit der Geschäftsführung abgestimmt werden musste. Insgesamt wurden Prozesse und Entwicklungen nicht transparent kommuniziert, so wurden die Mitarbeiter zwar über die Insolvenz des Unternehmens informiert, sämtliche weitere Informationen erhielten wir entweder sehr spät, aus der Presse oder über äußerst blumige und überschwängliche Briefings per Mail, die sich allerdings mehr auf Plattitüden anstatt auf stichhaltige Informationen beschränkten. Während des gesamten Prozesses „verpasste“ es die Geschäftsführung leider bewusst, im persönlichen Gespräch auf die Situation einzugehen. Vielmehr wurde den Mitarbeitern das Gefühl vermittelt, die wirtschaftliche Situation und ihre Abhängigkeit von dieser stünde nicht an erster Stelle. Vielmehr gewann man den Eindruck, es ginge darum, die „Marke Selkirk“ von der Marke Dolzer zu trennen, um den Herren als großen Wohltäter und Gutmenschen darzustellen.
Kollegenzusammenhalt
In Ordnung – Krisensituationen schweißen in gewisser Weise zusammen. Trotzdessen herrschen innerhalb der Abteilungen tief verankerte, starre Hierarchien, die man auch zu spüren bekommt.
Insgesamt muss ich sagen, dass Frauen im Unternehmen ein deutlich schlechteres Standing hatten, wohl auch bedingt dadurch, dass in der Schneeberger Zentrale noch andere Werte vorherrschten.
Work-Life-Balance
Das Arbeiten gestaltete sich als sehr unflexibel, Home Office war nicht möglich und bedingt durch eine Kernarbeitszeit von 6,5 Std waren „kürzere“ Tage sehr ungern gesehen. Je nach Position und eigenem Anspruch musste man sich für das Unternehmen sicherlich nicht kaputt machen, modernes sieht allerdings anders aus.
Vorgesetztenverhalten
Hier möchte ich mich auf das Verhalten der Geschäftsführung beziehen, mit dem Vorgesetztenverhalten in meiner Abteilung war ich zufrieden.
Das Verhalten der Geschäftsführung kann man allerdings als das absolute Worst-Case-Beispiel bezeichnen. Jede noch so kleine interne (!) Begebenheit musste abgestimmt werden, was nicht nur die Kommunikationswege erschwerte, sondern Dinge auch unnötig in die Länge zog. Passierte einmal ein Fehler, wurde man gern auch einmal auf persönlicher Ebene „angegangen“. Am erschreckendsten allerdings habe ich die Kommunikation der Geschäftsführung während der Insolvenz im vergangenen Jahr empfunden, dazu unter dem entsprechenden Punkt mehr.
Interessante Aufgaben
Die gab es auf jeden Fall und auch die (überstandene) Insolvenz hätte Chancen geborgen. Allerdings wurde ein Großteil innovativer Ansätze von der Geschäftsführung abgelehnt und es sich vielmehr auf weniger effektive Maßnahmen beschränkt. Insgesamt wäre es eine Mammutaufgabe gewesen, einem angestaubten, angeschlagenen Unternehmen neuen Glanz zu verleihen.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Dolzer brüstet sich mit einer Produktion in Europa nur auf Bestellung, allerdings wird jedes einzelne Kleidungstück in Plastik verpackt eingeliefert, einige Stoffe werden in China bestellt, etc. Sozialleistungen werden nicht angeboten.
Karriere/Weiterbildung
Zu Anfang wurde einiges versprochen an Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, später war hiervon leider keine Rede mehr. Der Kontakt mit dem Produkt beschränkte sich auf einen mehrtägigen Aufenthalt in einer der Filialen. In den starren Hierarchien aufzusteigen habe ich als eher schwierig empfohlen, vor allem weil viele Mitarbeiter keine „Konkurrenz“ auf ihren Positionen sehen wollten.