Ausbeutung im Namen der Wissenschaft – Promoviert wird in der Freizeit
Gut am Arbeitgeber finde ich
- Eigenverantwortung
- an beiden Standorten ist ein Tischfußball vorhanden, an dem in Pausen zusammen gespielt werden kann
- Paper für die Dissertation werden meistens durch zwei Doktoranden gemeinsam erarbeitet
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
- alles andere (siehe einzelne Punkte)
Verbesserungsvorschläge
Das Kernkompetenzzentrum ist zunächst einmal nur als eine übergreifende "Marke" zu verstehen, zu der alle Angehörigen dieses Instituts im übertragenen Sinne gehören.
Es gibt aktuell zwei Standorte: Augsburg und Bayreuth.
Es werden nur Mitarbeiter mit Promotions-/Habilitationsziel eingestellt. Diese erhalten dabei Verträge mit der Fraunhofer Gesellschaft (FhG) oder einer der beiden Universitäten.
Die Verträge sind für volle Stellen, d.h. die reguläre Arbeitszeit beträgt 40 Stunden pro Woche. Die Zusammengehörigkeit mit der FhG kommt durch die zusätzliche Eingliederung des FIM als Projektgruppe des Fraunhofer FIT zustande.
- Mitarbeiter nicht ausbeuten, nur weil immer genug Absolventen von der Universität zum Nachrücken bereitstehen
- Überstunden bezahlen und nicht als normale Arbeitszeit ohne Bezahlung voraussetzen
- feste Wochentage für die reine Arbeit an der Dissertation festlegen
- Kritik nicht unter den Teppich kehren
Arbeitsatmosphäre
- Endlose Überstunden
o werden als selbstverständlich vorausgesetzt
o 50 bis 60 Stunden unter der Woche oder zusätzlich am Wochenende (ohne Berücksichtigung der Arbeit an der Dissertation)
o Arbeit an Dissertation de facto nur am Wochenende/spätabends möglich, d.h. in der Freizeit
o Keine Arbeitszeit-/Überstundenerfassung, d.h. alle Überstunden unbezahlt
- Alle möglichen weiteren Aufgaben zu erledigen
o Lehre
o "Ressorts": z.b. Facility, Finanzen, Verwaltung, HR
o Coaching von Hiwis
- Projektarbeit
o Praxisprojekte: de facto Unternehmensberatung
In Firmenvertrag stehen 10 h Arbeitszeit, obwohl Vertragszeit laut eigenem Vertrag nur 8 h
Haben nichts mit eigener Forschung zu tun
Können prinzipiell irgendwo in Deutschland sein
o Öffentliche Projekte
Viel unnötige Verwaltungsarbeit und z.T. sinnlose Dienstreisen
Projektberichte, Forschungsanträge
Haben nicht zwangsläufig etwas mit Promotionsthema zu tun
o Angedacht sind 3 Tage Projektarbeit (Praxis oder öffentlich), aber es gibt durchaus Kollegen mit "übergangsweise" 5 Tagen Projekt/Woche
- Hiwi musste im Rahmen seiner Tätigkeit als Hilfs-"Wissenschaftler" sogar schon Professoren-Büros neu streichen
Kommunikation
Wenn man wichtige Informationen benötigt, ist man selbst dafür verantwortlich sich diese zu besorgen. Versäumt man dies (auch unverschuldet), wird man selbst dafür getadelt.
Kollegenzusammenhalt
Solange man widerstandslos endlose Überstunden wie die anderen Kollegen schiebt, ist alles in Ordnung. Dies gilt allerdings nicht mehr, sobald man regelmäßig nach der regulären Arbeitszeit das Büro verlässt.
Work-Life-Balance
Nicht vorhanden; viele Kollegen arbeiten auch das Wochenende durch.
- Abhängigkeitsverhältnis von Professor/Doktorvater
o Bewertet Doktorarbeit
o Verteilt Aufgaben, sodass hier eine Ablehnung aufgrund von Überlastung sehr schnell negative Auswirkungen auf Bewertung der eigenen Dissertation haben kann
o Das ist allerdings ein generelles Problem bei der Promotion an deutschen Universitäten
- Dadurch, dass keine festen Zeiten für Arbeit an Dissertation zur Verfügung gestellt werden, leidet natürlich auch die Qualität der eigenen Paper
o z.T. hat es überhaupt nichts mit „richtiger“ Forschung zu tun
o Aus 4 Jahren Promotionszeit können schnell 6 Jahre werden
- Psychischer Druck länger zu bleiben, da alle immer länger als acht Stunden bleiben
o Auch durch offene Bürotüren begünstigt
o Unrealistische Deadlines für Aufgaben, die am besten gleich sofort erledigt werden sollen (schlechte Organisation)
Vorgesetztenverhalten
Wehe man äußert Kritik an den offensichtlichen Missständen.
In machen Fällen wird diese Kritik auch schlicht ignoriert.
- Interne Promotionsrichtlinien des Instituts werden einfach ohne Rücksprache von Professoren angepasst
o Wurden auch nie unterschrieben
o Alles nur Kann-Bedingungen, die passend ausgelegt werden (s. Projektarbeitszeit)
- Kein eigenständiges Arbeiten: jede Kleinigkeit muss mit Professor abgestimmt und verbessert werden
o Gilt für alle Dokumente (Projekte, Lehre), die irgendwie öffentlich einsehbar sind, egal ob sie relevant sind oder nicht
o Ablenkung von wichtigen Aufgaben bzw. weniger Zeit dafür
o Keine echte Verantwortung, stattdessen Implikation, dass man selbst zu schlecht für diese Aufgabe ist
Interessante Aufgaben
Sehr viele Verwaltungsaufgaben mit zum Teil zweifelhaftem Ziel.
Manche Projekte bieten z.T. spannende Inhalte, haben aber meist nichts mit dem Inhalt der Dissertation zu tun. Je nach Thema kann es im Rahmen der Dissertation spannende Themen geben. Die Bearbeitung dieser findet dann aber wieder in der Freizeit statt.
- Keine Berücksichtigung persönlicher Qualifikationen bei der Aufgabenverteilung
- In meinem Fall nicht einmal ansatzweise eine Überschneidung mit den in der Stellenausschreibung angegebenen Tätigkeiten und Qualifikationen
Gleichberechtigung
Offiziell gibt es "flache Hierarchien". In der Realität betrachten sich bereits länger angestellte Kollegen aber oft als in der Hierarchie über neueren Mitarbeitern stehend. Dies wird auch intern so praktiziert.
Umgang mit älteren Kollegen
Da grundsätzlich alle Kollegen (abgesehen von den Professoren) noch relativ jung sind, ist hier keine genauere Aussage möglich.
Arbeitsbedingungen
o am Standort Augsburg relativ schöne und ruhige Lage
direkt auf dem Campus gelegen
o am Standort Bayreuth extrem laute Büros durch unmittelbare Nähe zur Hauptstraße
Im Sommer extrem heiß, aber durch Laustärke trotzdem kein anständiges Lüften möglich
nicht auf dem Campus gelegen
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Kein Fairtrade oder bio. In manchen Büros sind nicht genug Mülleimer für eine ausreichende Mülltrennung vorhanden.
Gehalt/Sozialleistungen
Die gezahlten Gehälter entsprechen den normalen Tarifvereinbarungen. Allerdings gibt es durch die unterschiedlichen Anstellungsverträge unterschiedliche Löhne für die gleiche Arbeit.
- Verträge auf zwei Jahre befristet
- Unterschiedliche Anstellungen möglich: Fraunhofer, Universität
- Unterschiedliche Bezahlung der Doktoranden, da Anstellung nach TvÖD bzw. TV-L
- Keine anderweitige Erstattung über FhG abgelehnter Reisekosten, selbst wenn diese für Projekte zwingend nötig waren
Image
Nach außen hin zu Projektpartnern ist das Image durchaus positiv, nicht zuletzt durch die Verknüpfung mit der FhG. In Studenten- und Hiwikreisen sind die tatsächlichen, schlechten Arbeitsbedingungen aber meistens bekannt.