Nur blendender Schein ohne Sein
Gut am Arbeitgeber finde ich
Je nach Kassenlage und Gutdünken besteht die Chance, dass Überstunden bezahlt werden. Ich habe auch sehr nette und kompetente Kolleg:innen dort getroffen, von denen einige aber schon wieder gekündigt bzw. um einen Aufhebungsvertrag gebeten haben. Wenn letztere bewilligt wurden, zeugt das natürlich auch von Kulanz.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Die Personalentwicklung und Personalführung; den mangelnden Gestaltungsspielraum, weil Projektzuständigkeiten nicht nur für bewilligte Maßnahmen, sondern auch für neue Projektanträge zugewiesen werden, so dass für eigene innovative Projektideen keine Kapazitäten bleiben; die Selbstglorifizierung statt einer seriösen Qualitätsentwicklung; die Diskreditierung (vieler) scheidender Mitarbeiter:innen als faule und/oder schwächliche "Lappen", die in der Leistungsgesellschaft nicht zu gebrauchen seien, anstatt sich selbstkritisch und lösungsfokussiert mit den Krankheiten des Systems auseinanderzusetzen. Insgesamt ist die StEB aus meiner Vergleichsperspektive vom "Politischen-Bildungs-Schimmel" der 90er Jahre befallen, gleichwohl der Anspruch ist und die Außendarstellung suggeriert, dass hier brauchbare Strategien im Umgang mit weltanschaulichen Problemlagen unserer diversen Gesellschaft entwickelt werden.
Arbeitsatmosphäre
stress- und führungsbedingt belastet
Kommunikation
abhängig von bestimmten Adressat:innen, dem Level an Chaos und dem konkreten Anliegen: zu oft alles andere als unkompliziert, strukturiert und zuverlässig
Kollegenzusammenhalt
Die Missstände und Frustrationen schweißen teilweise zusammen. Sonst kämpft jede:r für sich selbst ums Überleben in der Arbeitsfülle.
Work-Life-Balance
Mehrere Projekte müssen parallel gemanagt, dazu neue Projektanträge gestellt, Drittmittel für die laufenden Projekte eingeworben werden und ohne Konzept beworben und notfalls im "Wir tun so als ob"-Modus realisiert werden, um gegenüber fördermittelgebenden Instanzen die Illusion einer gefragten und maßgeblichen NGO zu schüren. Dies alles um den Preis stressiger Akkordarbeit, chronischer Überarbeitung und abwertenden Feedbacks wie der Vorgesetzten-Kommentierungen meines ersten Krankentages vor dem übrigen Team, offenbar stünde es mit dem Arbeitsethos bestimmter abwesender Personen wohl doch nicht so gut, wie erwartet. Vielsagend ist auch die Vorgesetztenreaktion, als ein Teammitglied, welches Urlaub hatte und nicht zum Weekly erschien, damit eine enttäuschte Reaktion beim Chef erzeugte, weil er ja schließlich nicht weggefahren war - also hätte kommen können. Dieselbe grenzüberschreitende Erwartung zeigt sich in Anfragen, sich während des Urlaubs zu einem Personalgespräch zu verabreden. Versuche Grenzen zu kommunizieren, endeten in einem einnordenden Personalgespräch über "die Arbeit in der Stiftung".
Vorgesetztenverhalten
Beim Kennenlernen sehr sympathisch und einnehmend. Zusätzlich kumulieren unrealistische Erwartungen, ein chaotisches Management, welches notorisch Zielkonflikte und viel Druck erzeugt, Indiskretion mit abwertenden Meinungsäußerungen über Kolleg:innen, manipulative Bauchpinselei und cholerische Drohungen zu einer abschreckenden Melange.
Die Behauptung, selbst 80 Stunden pro Woche zu arbeiten, kollidierte mit häufigen Abwesenheiten aus privaten Gründen, mit affektiven E-Mails und Anrufen aus dem Off, die - aus Überschätzung der Kapazitäten, Mangel an Durchblick und geringer eigener Einsatzbereitschaft nicht selten vorbei an den Rollen, Zuständigkeiten und Überlastungen der Mitarbeitenden frustriertes Kopfschütteln oder irritierende Kompensationsstrategien durch die Verwaltung provozierte. Für eine "Projektleitung", die der Geschäftsführung laut den Finanzplänen der Projekte oblag, bräuchte es weit mehr Präsens, tatsächlichen Impact im Projektmanagement und Skills als hier je eingebracht wurden.
Interessante Aufgaben
Nicht nur bei mir gab es zwischen den Themenschwerpunkten, Arbeitsorten und Tätigkeitsfelder, die in der Stellenausschreibung standen und im Vorstellungsgespräch besprochen wurden, und den tatsächlichen Zuständigkeiten einen himmelweiten Unterschied. Man muss sich das Abtasten wie ein Cold Reading durch ein manipulatives Medium vorstellen, das es versteht, seinem Gegenüber seinen Traumjob mit unbefristeter Perspektive, Aufstiegsmöglichkeiten und maximalem Gestaltungsspielraum zu suggerieren. Nach der Vertragsunterzeichnung kam die Konfrontation mit der Realität. Die Expertisen + Ideen auf Grund der ich vermeintlich angestellt wurde, waren gar nicht gefragt. Es war in Anbetracht der Fülle, Vielfalt & bisheriger Defizite in laufenden Projekten unmöglich, bei allen Zuständigkeiten eine angemessene Qualität und einen optimalen Projektverlauf zu gewährleisten. Andere Kolleginnen hatten sich schon in einen Pragmatismus geflüchtet, bei dem starke Abweichungen zwischen der Projektbeschreibung und der Projektdurchführung als lässige Auslassung oder Absenkung der geldgeberseits nicht überprüfbaren Komponenten auf "StEB-Standard" und somit als gewieftes Projektmanagement galten.
Gehalt/Sozialleistungen
Ich habe sehr gut verdient. Die Rahmenbedingungen waren leider trotzdem unzumutbar. Die unfairen Unterschiede bei der Entlohnung trotz gleicher Projektmanagementtätgkeit wurden mit abweichenden Erfahrungsstufen begründet. Dies konnte den verständlichen Frust der Benachteiligten nicht lindern und erzeugte bei mir auch ein schlechtes Gewissen.
Image
Wenn ich den Wikipedia-Beitrag über die moralisch beschämende Genese des Vereins vor meiner Bewerbung gelesen hätte, hätte ich mich nie dort beworben. Ich wurde leider erst zu spät von externen Engagierten wiederholt darauf hingewiesen und habe bei weiteren Begegnungen mit Leuten, die sich in der politischen Bildungslandschaft gut auskennen, zunehmend beschämt verschwiegen, für wen ich derzeit konkret arbeite. Der Verein überlebt u.a. durch die Pflege von Partei-Seilschaften und inoffizielle Absprachen, mittels derer offizielle Vergabeverfahren von Fördermitteln unterwandert werden. Diese Erfolgsstrategie wird vereinsintern gegenüber allen ganz offen, stolz und ohne jedes Unrechtsbewusstsein mit zahlreichen Fallbeispielen kommuniziert. Ein Armutszeugnis ist demgegenüber, dass über die Jahre keine nennenswerte Vernetzungsarbeit mit anderen NGOs der Demokratiebildung erfolgt ist. Die geben ja auch kein Geld. Außerdem wird den Mitarbeitenden leider auch keine Zeit für die eigentlich wichtige Vernetzung eingeräumt.