Personalarbeit wie zu Zeiten Henry Fords
Gut am Arbeitgeber finde ich
Sehr gute Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten in vielfältigen und spannenden Projekten für zum Teil sehr renommierte Kunden. Gutes Fortbildungssystem. In vielen Projekten große Freiheitsgrade, um eigene Ideen und Konzepte einzubringen. Zum Teil hohe Flexibilität, wenn es darum geht, Neues zu versuchen.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Schlechte Work-Life-Balance. Wären mir in meinem letzten Jahr in diesem Unternehmen alle Überstunden anerkannt worden, hätte ich nach dem 10. Monat nicht mehr arbeiten müssen. Leider kein Einzel-, sondern eher Regelfall.
Weit belastender ist jedoch die Taktung innerhalb der Arbeitszeit, die sinnbildlich einer intellektuellen Fließbandarbeit entspricht. Es gibt normalerweise kaum bis keine Zeit, zwischendurch mal inne zu halten. Das ist nicht nur für die Mitarbeiter auf Dauer unzufriedenstellend und bisweilen gesundheitlich sehr belastend (Burn-out, etc.), sondern erschwert auch die Entwicklung innovativer Lösungsansätze. Man kann eben nicht kreativ arbeiten, wenn man die ganze Zeit die Pistole des Zeitdrucks im Nacken spürt.
Unter dem enormen Druck leidet auch der Teamgeist. Insbesondere das mittlere Management befindet sich nach meiner Erfahrung häufig in einer undankbaren Position und ist nur bedingt in der Lage, die Mitarbeiter/innen hinreichend vor Überlastung zu schützen.
Leider ist dem Unternehmen zudem in den letzten Jahren die Wertschätzungskultur abhanden gekommen. Besondere Leistungen von Mitarbeiter/innen werden im allgemeinen Stress häufig nicht einmal mehr wahrgenommen, aber auch gewonnene Ausschreibungen (die Teilnahme an Ausschreibungen gehört häufig zu den am stärksten belastenden Tätigkeiten in der Branche) finden kaum noch ein Feedback. Gab es in früheren Jahren zu diesen Anlässen noch ein gemeinsames Anstoßen mit Sekt, war zuletzt eine knappe Dankesmail der Geschäftsführung das höchste der Gefühle. Lobkultur wird nur noch von einzelnen Engagierten gepflegt.
Umgekehrt wurde der Druck auf die Mitarbeiter/innen kontinuierlich erhöht. Ausbleibende Erfolge wurden - trotz der Tatsache, dass konsequent unbezahlte Überstunden mit hoher Arbeitstaktung aufgehäuft werden - gerne damit erklärt, dass "einfach nicht mehr vernünftig gearbeitet wird". Wie das auf Mitarbeiter/innen wirkt, die sich selbst schon länger am Limit der Belastbarkeit sehen, sollte eigentlich keiner Erklärung bedürfen. Insbesondere seit der Umstrukturierung des Personalmanagements im Frühjahr 2016 hat sich diese aus meiner Sicht sehr destruktive Attitüde gegenüber den Mitarbeiter/innen jedoch noch weiter verschärft.
Verbesserungsvorschläge
Ich wünsche dem Unternehmen, dass es wieder erkennt, dass seine Mitarbeiter/innen hochqualifizierte Profis sind. Sie sind in der absoluten Mehrheit weder faul noch unmotiviert. Es täte dem Unternehmen gut, selbst in Zeiten vermehrter Kündigungen selbige nicht mit "personellen Fehlgriffen" zu erklären, sondern die eigene Arbeit als Geschäftsführung zu hinterfragen. Selbstkritik ist zwar immer schwerer als Fremdkritik, am Ende des Tages aber oftmals zielführender. Es hat sich für ein Unternehmen in der Vergangenheit nur selten bezahlt gemacht, die eigenen Mitarbeiter/innen im Zweifelsfall eher als Gegner/innen zu sehen, statt als Mitstreiter/innen.
Eine Diskussion, wie im Unternehmen gemeinsam und konstruktiv gearbeitet werden kann, ist dringend nötig. Das setzt vor allem eine andere Herangehensweise in der Personalarbeit voraus. Es fiel seitens der Geschäftsführung mal die vielsagende Aussage, man sei auf den einzelnen Mitarbeiter/innen ja nicht angewiesen: Man besitze genug Renommee, dass wenn eine/r ginge, eben ein/e neue/r komme. Das mag stimmen. Wenn mit dieser Selbstsicht aber langfristig verfahren wird, wird es sehr schwer, Stabilität in das Unternehmen zu bekommen. Im Durchlauferhitzer verbleibt das Wasser stets nur kurze Zeit.