Wo Kreativität an mangelnder Struktur im Keim erstickt
Arbeitsatmosphäre
Die generelle Office-Kultur ist angenehm und ruhig. Wer gerne eher alleine im Office arbeitet, wird hier zufrieden sein. Wer allerdings gerne ungestört arbeiten möchte, wird einen Kompromiss eingehen müssen, da man schon öfter angequatscht wird während der Arbeit. Kann man mögen oder eben nicht.
Räumlichkeiten:
Zu saisonalen Events kann es etwas lauter/ablenkender werden, aber das ist absehbar. Leider im Sommer trotz Klima eher schlechte Luft und tendenziell zu kalt. Ansonsten offen mit viel Licht.
Kommunikation
Zwischen Kolleg:innen zuverlässig und offen. Zu höheren Geschäftsebenen (ab Teamlead) steigend distanziert und intransparent, wie es leider häufig in Agenturen der Fall ist. Insgesamt kommt es allerdings ganz auf die Position an. In meiner Rolle durfte ich direkt mit der obersten Geschäftsebene zusammenarbeiten und da war die Kommunikation sehr direkt und effizient.
Kollegenzusammenhalt
Innerhalb des eigenen Teams weitaus stärker als über die Abteilungen hinweg. Man fühlt sich teilweise schon etwas abgekapselt, da die Zusammenarbeit mit anderen Teams eher projekt- als workflow-bezogen ist.
Work-Life-Balance
Trotz flexibler Arbeitszeiten und 100% Home-Office hat man effektiv eine Kernzeit, die sich durch die ausgeprägte Meetingkultur einfach ergibt. Für mich hat es im Endeffekt kaum Unterschied zu einem 9/5 Job gemacht. Dafür habe ich aber das Home-Office in vollen Zügen genossen.
Frühaufsteher können durchaus früher gehen, werden allerdings regelmäßig gezwungen sein, Überstunden (d.h. in dem Fall bis 17/18 Uhr) zu machen, wenn ein Meeting spät angesetzt ist. Die Überstunden können frei abgeglichen werden, allerdings sind die Ausgleichtage pro Quartal sehr limitiert.
Vorgesetztenverhalten
Absolut teamabhängig, aber in meinem Fall rückwirkend sehr enttäuschend. Es wird ein offenes Ohr vorgetäuscht und bei Kritikpunkten schnell Schuld abgewiesen bzw. wird man aufgefordert das Problem selbst zu lösen. Konkrete Verbesserungsmaßnahmen (z.B. Strukturverbesserungen, mehr Kommunikation mit anderen Teams, mehr Pitches, mehr Freiraum für Kreativität, mehr Personal zur Entlastung des Teams oÄ) werden teilweise befürwortend angenommen, aber nicht wirklich unterstützt. Man fühlt sich mit Problemen allein gelassen.
Trotz mehrfachen Hinweisen auf mangelndes Personal, wurde das Team verkleinert, was die Auslastung bei allen Teammitgliedern erhöht und das Problem somit verschärft hat. Die daraus resultierenden Bedingungen schmerzen wirklich sehr. Das eigentliche Team hat eine gute Synergie und es wird wirklich auf einander geschaut. Als Art Director ist es sehr frustrierend mitanzusehen, wie sämtliche Initiativen für den Ausbau der kreativen Fähigkeiten im Team eingedämpft werden, indem ein Performance-messendes Gerüst übergestülpt wird. Raum für Experimentation ist nicht gegeben, da nur verrechenbare Stunden als wertvoll angesehen werden.
Interessante Aufgaben
Kommt stark auf die Auftragslage an. Allerdings ist es leider so, dass viele Kunden aus eher bodenständigen Bereichen kommen und dadurch auch nicht viel Freiraum für Kreativität lassen. Pitches gingen zu meiner Zeit selten in Richtung Kreativarbeit, wodurch auch der Zugang zu neuen Möglichkeiten beschränkt war. Als businessorientierte und analytische Person findet man in diesem Unternehmen vermutlich mehr Erfüllung als ein:e Kreative:r.
Gleichberechtigung
Habe den Eindruck gehabt, dass sämtliche Identitäten grundsätzlich respektiert werden.
Umgang mit älteren Kollegen
Unternehmen fühlt sich insgesamt durch die Turnover-Rate eher jung an, kann ich also nur schwer beurteilen.
Arbeitsbedingungen
Ausbaufähig.
Equipment:
Die Möglichkeit für Stehtische im Büro sind mMn ein absolutes Muss für sämtliche Bürotätigkeiten. Hier und da wäre also noch Ausbaubedarf.
Struktur:
Konstant am schwanken, aber nicht wirklich durchdacht. Das Unternehmen scheint in den letzten Jahren stark gewachsen zu sein, wodurch sich gewissen "growing pains" äußern.
Die täglichen Zeitprotokolle sind unglaublich zeitaufwändig gewesen und wurden strengstens kontrolliert (fast 1:1 geloggte zu gestempelte Zeit). Zusätzliche zeitliche Einschränkungen auf bestimmten Tasks erfordern viel Aufmerksamkeit beim Loggen, was einfach verschwendete Arbeitszeit ist.
Entweder man vertraut seinen Angestellten oder überlegt sich zumindest ein weniger zeitintensives Tool.
Die Ordnerstruktur ist ein Chaos von verschiedenen Strukturversuchen, was die Suche nach Dateien am Server zu einem Findet-Waldo-Spiel macht. Wäre ganz unterhaltsam, wenn man nicht konstant unter Zeitdruck stehen würde.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Umwelt:
Absolut nicht vordergründig. Wenigstens werden interne Dokumente nicht gedruckt.
Sozialbewusstsein:
Mehr oder minder sichtbar. Sozialaktionen finden hauptsächlich zu den typischen Saisonen (Weihnachtszeit) statt und werden außerhalb davon selten praktiziert (z.B. im Rahmen von pro-Bono Projekten).
Gehalt/Sozialleistungen
Die Benefits sind hier klar im Vorsprung. Da ist das Unternehmen sehr bemüht. Gehaltserhöhungen und sonstige Diskussionen zu Arbeitsbedingungen (z.B. 4-Tage Woche) werden allerdings selten angenommen (zumindest von dem was ich mitbekommen habe). Insgesamt ist das Gehalt leicht überschnittlich (im Vergleich zum KV), im Vergleich zu der tatsächlichen Auslastung allerdings weitaus zu wenig. Es ist leider im Designbereich zu üblich geworden, 2–3 Posten mit einer einzigen Person zu besetzen.
Image
Der bisherige Mangel an Branding Guidelines zeigt noch immer seine Nachwirkungen. Insgesamt sehr wenig Design-Verständnis außerhalb des eigenen Teams. Hier muss man als Designer:in als Wissensvermittler:in arbeiten, um den tatsächlichen Aufwand und Wert von Design offenzulegen. Wenn das Bewusstsein weiterhin gepflegt wird, sehe ich Potenzial für Image-Verbesserungen.
Karriere/Weiterbildung
Wenig Zeit für Weiterbildungen und eingeschränkte Karriereentwicklungen. Da wie gesagt selten mit spürbaren Gehaltsänderungen bei wachsender Verantwortlichkeit gerechnet werden kann, ist man allerdings auch nicht wirklich animiert dazu.