Gesagt wird viel - die Realität ist eine ganz andere.
Gut am Arbeitgeber finde ich
100% Homeoffice ist eine moderne und für einen Callcenter Agent angemessene Ausgestaltung für einen Arbeitsplatz. Es gibt etliche Firmen, wo es genau so laufen könnte, sollte und eigentlich auch müsste. Hier ist GKS definitiv ein leuchtendes Vorbild.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Druck statt vernünftige Personalführung als Motivator für "gute Leistung". Gute Ergebnisse bei Tests spielen nach Aussage der Teamleitung nicht in die Gesamtbewertung mit hinein, lediglich die "Produktivität", die kontinuierlich und künstlich klein gerechnet wird. Das schafft weder Vertrauen, noch Glaubwürdigkeit und erst recht keine Motivation.
Verbesserungsvorschläge
Mitarbeiter können anders als durch Druck zu guter Leistung motiviert werden. Die angeblich realen Durchschnittswerte zur Produktivität können nicht erreicht werden, das wird schon nach etwa zwei Wochen klar und zieht sich wie ein roter Faden durch alle Prozesse. Man sollte hier einlenken und nicht darauf bestehen, dass es aber doch so ist und der Mitarbeiter einfach nur zu schlecht arbeitet.
Arbeitsatmosphäre
Die gesamte Personalführung basiert auf Druck. Ständig wird suggeriert, die Vorgaben zur "Produktivität" (Dauer eines Anrufs bzw. Bearbeitung des Kundenanliegens) seien aus aktuellen realen Zahlen entstanden. Tatsächlich sind sie nicht zu erreichen. Widersprüchliche und sich ständig ändernde Arbeitsanweisungen, die von den "Coaches" selbst nicht eingehalten werden, oder diesen gänzlich unbekannt sind. Von Testanrufern wird man in den Himmel gelobt, weil man so gute Arbeit abliefert - der eigene Coach sagt, Note 6. Und durch Probezeit und Befristungen in Kombination mit regelmäßigen "Prozessoptimierungen", in denen man wiederholt erfährt, dass alles, was man bisher gelernt und gearbeitet hat, falsch und ineffizient ist, entsteht die nötige "Motivation", bloß hart genug weiter zu arbeiten.
Kommunikation
Typische Massenabfertigung, hauptsächlich E-Mails und MS Teams. Persönliche Gespräche waren aber möglich. Meine Teamleitung hat mir auch durchaus signalisiert, mich zu verstehen. Leider fehlte in der Konsequenz ein erkennbarer Effekt, sodass man sich letztendlich auch nur abgewimmelt vorkommt.
Kollegenzusammenhalt
Meine "Bewerbergruppe" war super und der einzige Grund, dass ich nicht völlig in Selbstzweifel verfallen bin, denn jeder der fünf Kollegen, der mit mir zusammen angefangen hat, hatte die gleichen Probleme wie ich. Untereinander konnten wir uns dann Tipps geben.
Work-Life-Balance
Von der im Bewerbungsgespräch angepriesenen Flexibilität bleibt real nicht viel übrig. Frei wählbare Schichten - drei Monate im Voraus. Zwei Wochen vor Antritt bekommt man dann den tatsächlichen Schichtplan, der durchaus auch abweichen kann. Täglich wechselnde Schichten mit höchst unterschiedlichen Anfangs- und Endzeiten verhindern jede Form von Tagesrhythmus. Nachtschichten bedürfen angeblich gewisser Erfahrung und vorheriger Absprache - ich hatte plötzlich welche auf meinem Schichtplan, ohne dass das jemand mit mir besprochen hat.
Überstundenvergütung sagt sich auch schön daher. Nimmt man kurz vor Schichtende noch einen Anruf entgegen, der länger geht, kann man nur fünf Minuten davon in seiner Zeiterfassung hinterlegen. Den Rest muss man sich freigeben lassen - mit Rechtfertigung, warum man denn so lange mit einem Kunden telefonieren musste.
Kleiner Bonus: die Arbeitszeit wird nicht durch Login und Logout festgehalten, sondern durch ein Programm errechnet - leider aber fehlerhaft. Die Überprüfung obliegt dem Mitarbeiter!
Vorgesetztenverhalten
Schon in der Einarbeitung widersprüchliche Arbeitsanweisungen von unterschiedlichen "Coaches" und Teamleitern, obwohl angeblich alle nach der gleichen 500-seitigen Bibel arbeiten. Meine "Bewerbergruppe" wurde in der dritten Woche während der Einarbeitung vor Ort von einer Leiterin zum Essen eingeladen, was als Arbeitszeit zählen sollte. Später wurde diese Aussage geleugnet und wir mussten die Zeit nacharbeiten.
Arbeitsbedingungen
100% Homeoffice. Klingt schön.
Wenn aber täglich wechselnde Schichten mit sehr unterschiedlichen Start- und Endzeiten jede Form von Tagesrhythmus unterbinden und dazu das unter "Arbeitsatmosphäre" erwähnte Drucksystem einem ständig suggeriert, dass man quasi demnächst wieder arbeitslos ist, weil man völlig ineffizient arbeitet, ist man schnell Gefangener im eigenen Zuhause.
Man bekommt immerhin eine halbe Stunde Mittagspause, eine zehnminütige Pause jeweils vorher und nachher und jede Stunde fünf Minuten Bildschirmpause. In der Realität werden aber oft genug Gründe gefunden, dass eine dieser Pausen nicht gewährt werden kann - zum Beispiel weil man gerade ein längeres Gespräch mit einem Kunden beendet hat und der zeitliche Abstand zur nächsten oder der Mittagspause dann zu gering sei.
Dazu eine IT, die mindestens einmal täglich nicht funktioniert, ständig neue Arbeitsanweisungen und Diskussionen mit Coaches und Teamleitern, die sich größtenteils gegenseitig widersprechen - und alles geht zu Lasten der "Produktivität".
Gehalt/Sozialleistungen
Man könnte jetzt sagen, für einen einfachen Callcenter Job stimmt das Gehalt schon.
Die oben genannten Dinge machen den Job aber künstlich sehr viel schwerer und vor allem anstrengender.
Karriere/Weiterbildung
Aus "wenn ich möchte, kann..." während des Bewerbungsgesprächs wurde mit der Zeit "wenn du so lange da bist, musst du...".