Software-Entwicklung mit Bürokratie und Altlasten
Gut am Arbeitgeber finde ich
Meistens gehe ich gerne zur Arbeit, weil mich ein kollegial freundliches Arbeitsumfeld erwartet und ich mich in meinem Team sehr willkommen fühle. Der Büro-Campus liegt am Stadtrand, nach meinem Empfinden eine angenehme, grünere Gegend - okay mit ÖPNV erreichbar. Es gibt eine Kantine mit einer guten Auswahl, für omnivor bis vegan lebende Menschen. Im Arbeitsalltag wird überwiegend Scrum gelebt/versucht und zwischen all den historisch gewachsenen Softwareprodukten gibt es einzelne Koryphäen im Kollegium, die sich um moderneres Tooling bemühen. Ansonsten finden sich hier auch sehr viele Quereinsteiger bzw. Informatik-Neulinge, denen Raum und Zeit gegeben wird, sich zurecht zu finden. Genug Arbeit gibt es definitiv und sie ist größtenteils, bspw. im Energiemarkt, auch von Bedeutung. Wer es mag, findet hier Sportangebote und einen Fuhrpark. Dennoch gibt es hier einiges zu optimieren, und mit der Weiterempfehlung hier hoffe ich auf neue kluge Köpfe, die mutig sind, beim Umdenken Richtung New Work, moderner Software und benutzungsfreundlichem Tooling mit anzupacken... Möge es von der Firma gehört werden.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Ich bin regelmäßig bei der Arbeit frustriert, wenn wieder Planung/Kosten diskutiert werden; wenn mein Wert für die Firma deutlich steigt, aber das Gehalt still steht; wenn ich sehe, wie essentiell einzelne Mitarbeitende durch fehlendes Wissensmanagement und Solo-Komponenten-Entwicklung sind, die aber auch frustriert sind; wenn es wieder heißt, wir brauchen mehr Mitarbeitende, aber in meinem Umfeld Personen sitzen, deren Arbeitskraft vermeintlich aufgrund fehlender Fachkenntnis nicht genutzt wird; wenn ich unstrukturierte Meetings mit alteingesessenen Verantwortlichen über mich ergehen lasse, die grandios am Kern vorbei reden können; wenn mir in der Abteilungsberatung die Firma vermitteln möchte, wie gut es mir hier geht; wenn ich interne Anwendungen öffnen muss und der nette Kollege für die nicht vorhandene Usability einspringen muss; wenn die Installation von gängigen Entwicklungstools behindert wird... Ich betrachte hier vieles aus Entwicklungssicht. Für mich ist es erstaunlich, wie viele Mitarbeitende scheinbar schon immer bei Robotron arbeiten und sich an vielen Dingen nicht stören. Um aber auch für andere ein interessanter AG zu sein, bitte mehr Umbruch statt Workaround.
Verbesserungsvorschläge
Wie so oft entsteht auch diese Bewertung aus angesammelter Frustration, die nirgendwo anders abgelassen werden kann. Deshalb der erste wesentliche Punkt:
- es muss regelmäßige Feedback-Möglichkeiten (quartalsweise) geben - mit Auswertung, die zeigt, es wird an Kritikpunkten gearbeitet
- Feedback muss aktiver umgesetzt werden
Ich stimme vorangegangenen Bewertungen in genannten Verbesserungspunkten zu. Ich nenne mal folgende:
- interne Tools abschaffen, die nicht intuitiv bedienbar sind (nein, hier hilft keine Schulung der Nutzenden)
- Wissensmanagement fördern; sicherstellen, dass in der Entwicklung hinter jeder Kompontente mindestens zwei Personen stehen (4-Augen-Prinzip auf Code-Ebene)
- weg von der Solo-Komponenten-Entwicklung, hin zu: miteinander lernen - so kommen auch Neulinge schneller in Projektarbeit rein
- zielführende Einarbeitung: es ist nett, sich dem Produkt in Schulungen zu nähern, aber auch diese müssen moderner gestaltet werden und können abschrecken
- Arbeitgeber-initiierte Gehaltsanpassungen
- Nutzung personeller Ressourcen, untätige Personen aktivieren/anlernen
- Vorgesetztenbindung: mtl. 10min Gespräche; mehr Vorgesetzte mit ähnlicher Tätigkeit
Arbeitsatmosphäre
Es wird ein freundlicher Umgang miteinander gelebt, man trifft sich gelegentlich auch privat.
Konkret mag das von Abteilung und Fachbereich variieren. Es wird eigentlich eine Du-Kultur gelebt, einzig die Personalabteilung nimmt sich heraus, gesiezt werden zu wollen... In meiner Entwicklungsumgebung habe ich (und andere) das Gefühl, hier hängt alles mind. 10 Jahre hinterher und Alteingesessene haben sich zu sehr daran gewöhnt. Will man hier Dinge etablieren, die anderswo gängige Praxis sind, begegnet man hier unerwartet vielen Barrieren (Bedenken Alteingesessener, Rechte, Tooling-Support). Sehr kritisch und unterschätzt ist, dass hinter einer SW-Komponente häufig nur eine Person in der Umsetzung steht (während mehrere Management-Personen drumherum reden), hier entsteht Stress und es gibt selten ein Vier-Augen-Prinzip - vermeintlich aus Zeitgründen und fehlendem Bewusstsein dafür. Wenn man aber keine kritischen Komponenten betreut, mag es ein sehr entspanntes Arbeiten sein.
Kommunikation
Es wird sehr viel per Mail kommuniziert bzw. über das interne Besprechungsplattform-Tool. Dabei erfolgt die Kommunikation von Anforderungen und Aufgabendetails viel entlang der Unternehmensorganisation über die fachliche Ansprechperson. Manchmal fehlt mir eine projektorientierte Kommunikation und Projektleitende verpassen es, Anforderungen an andere Teams zu kommunizieren. An anderen Stellen wird es dann schon fast bürokratisch, wenn man den internen Support benutzen muss. Informationen der Unternehmensführung werden über das Intranet oder die vorgesetzte Person kommuniziert. Im Vergleich zu meinem vorherigen Arbeitgeber ist die Kommunikation sehr überschaubar und wirkt strukturiert.
Kollegenzusammenhalt
Es treffen Menschen unterschiedlicher Lebensweisen und Werdegänge aufeinander - und das funktioniert erstaunlich gut, es gibt grundsätzlich einen freundlichen, offenen, respektvollen Umgang. Auch wenn hier viel einzeln an Aufgaben ohne großen Austausch gearbeitet wird, kann man fast jeden nach Hilfe fragen. Das gemeinsame Essen in der Kantine stärkt den Zusammenhalt der Bürogemeinschaft und in meinem Scrum Team trifft man sich gelegentlich auch privat. Hingegen spüre ich den Zusammenhalt beim Arbeiten im Homeoffice beispielsweise weniger, vielleicht wäre das bei mehr Teamarbeit besser. Firmenseitig werden zwei größere Feiern jedes Jahr veranstaltet. Neben Sport ist hier auch Bier immer ein leidig-präsentes Thema.
Work-Life-Balance
Für den Großteil gibt es hier standardmäßig eine 40h-Woche (man kann befristet runtergehen), mit Kernarbeitszeit. Beides stufe ich als veraltet ein, gerade im IT-Bereich. Auch die Kündigungsfrist, zudem zum Quartalsende, ist überholt, wobei sich Personen so teilweise entspannt zurücklehnen. Homeoffice wird sehr unterschiedlich toleriert, man hat das Gefühl, es ist unerwünscht. Positiv ist, dass dies durch die jeweilige vorgesetzte Person lockerer gelebt wird und individuelle Absprachen möglich sind. Grundsätzlich habe ich in meiner Abteilung das Gefühl, dass eine gute Homeoffice-Kultur fehlt. Es gibt im Büro vor Ort ein besseres und persönlicheres Miteinander, man schafft es hier nicht, dies in verteilte Orte zu transportieren (das habe ich anderswo besser erlebt). Überstunden werden zu einem gewissen Maße anerkannt und in der eigenen Freizeit bzw. Urlaubsphase kann man von der Arbeit abschalten. Also mein Fazit: Ein Mindset für New Work ist hier noch nicht angekommen, Verträge sollten überdacht werden. Wenn man wenig Stress bei der Arbeit hat, mag sich die Work-Life-Balance gut anfühlen.
Vorgesetztenverhalten
Zu meinem Vorgesetzten habe ich standardmäßig einmal im Monat Kontakt, wenn Abteilungsmeetings anstehen. Dieser Termin bzw. dessen Unterlagen sind der klassische Kommunikationskanal, um Informationen aus der Leitung zu erfahren. Die Zuordnung zu einem Vorgesetzten innerhalb der Abteilung wirkt recht zufällig. Mir missfällt es, dass es innerhalb des letzten Jahres nur zwei persönliche Gespräche gab und ich hier selbst aktiv werden muss. Hingegen ist dies beispielweise im Umgang mit der Bereichsleitung einfacher.
Interessante Aufgaben
Je nach Unternehmensbereich, Energiewirtschaft, Industrie oder Öffentliche Verwaltung, lassen sich hier interessante Aufgaben in Kundenprojekten finden. Dabei werde ich in der Umsetzung immer wieder mit rechtlichen und technischen Spezifikationen konfrontiert. Man könnte sagen, entwickelte Lösungen sind systemrelevant. Entsprechend gibt es dann auch Wartungs- und Supportaufgaben. Ansonsten baut sich vieles um ein DB-Produkt herum auf, das muss man ggf. mögen.
Gleichberechtigung
Die Geschäftsführung und Bereichsleitung ist zu 100% männlich. Grundsätzlich werden Frauen strukturell nicht benachteiligt, aber auch nicht explizit wie anderswo gefördert. In meiner Abteilung sind Frauen nur auf der untersten Ebene der Hierarchie vertreten. Unabhängig des Geschlechts sind meiner Wahrnehmung nach leitende/vorgesetzte Personen vor allem jene, die aus einer Beratungstätigkeit heraus aufsteigen, weshalb ich Interessen aus Entwicklungskreisen vernachlässigt sehe.
Umgang mit älteren Kollegen
Im Kollegium gibt es einige ältere Personen, die schon sehr lange in der Firma arbeiten.
Teilweise lebt das Unternehmen vom Wissen dieser. Vielleicht treiben sie die Firma technologisch nicht mehr voran, aber sie tragen für mich ebenso zum freundlichen Miteinander bei. Ggf. ist es vlt. eher das Problem, junge Leute zu begeistern und gleichermaßen einzubinden.
Arbeitsbedingungen
Ich finde es positiv, dass hier fast jeder einen festen Arbeitsplatz hat. Die Standard-Büroausstattung ist jedoch eher minimal. Um einen zweiten Bildschirm oder höhenverstellbaren Tisch muss man sich beispielsweise erst selbst bemühen. Aufgrund von Sicherheitsbedenken sind softwareseitig die Rechte beschränkt, hier beginnt dann die Diskussion um zu installierende Software. Ansonsten wird das Jobticket angeboten, es gibt einen Kantinen-Zuschuss, Kaffee-Automaten, vergünstigte Mitgliedschaft im zugehörigen Sportverein...
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Mit Solaranlage und E-Autos im Fuhrpark ist ein umweltbewusster Ansatz da, aussortierte Technik wird nicht einfach weggeworfen. Zudem wird das Bewusstsein durch Arbeitnehmende reingebracht. Meines Wissens nach gibt es, ebenso wie für andere hier zu bewertende Punkte, keine besondere Arbeitsgruppe dafür.
Gehalt/Sozialleistungen
Da es hier keinen Tarifvertrag oder Betriebsrat (unerwünscht..) gibt, muss jeder selbst um mehr Gehalt kämpfen. Gehalt ist meiner Wahrnehmung nach ein Punkt, der für viel Frust im Kollegium sorgt und über den immer wieder bei privat-dienstlichen Treffen diskutiert wird. Für mich gab es nach einem Inflationsjahr, bedeutenden Aufgaben, positivem Feedback und Karrierelevel-Aufstieg erst eine Erhöhung, nachdem ich selbst nachgefragt habe. Und eine solche Erhöhung ist standardmäßig sehr überschaubar. Das ist demotivierend, ich will der entgeltlichen Anerkennung meiner Arbeit nicht hinterrennen müssen, während andere Uni-Absolventen anderswo mit 10% aufwärts mehr einsteigen und Abgaben sowie Lebenskosten automatisch steigen.
Image
Der Name Robotron ist historisch geprägt und spiegelt damit meiner Wahrnehmung nach das Firmen-Innere ganz gut wider. Das Marketing-Auftreten setzt das ganze positiv um, sodass der Arbeitgeber attraktiv wirkt. Im Uni-Absolventen-Umfeld sowie vom Personal anderer IT-Dienstleister höre ich immer wieder nachvollziehbare Vorbehalte, sodass es hier Luft nach oben gibt (hinsichtlich New Work, Technologien, Gehalt). Die Kundenseite kann ich aus der Entwicklungsperspektive nicht beurteilen - mein Gefühl sagt, dass sich das nach außen positiv präsentierte noch mehr durch die gelieferten Produkte durchziehen muss und man kundenfreundlicher agieren kann.
Karriere/Weiterbildung
Es gibt definierte Karrierestufen, gleichermaßen für alle Stellenbezeichnungen, verknüpft mit der Zertifizierung von Mitarbeitenden. Für mich wirken sie etwas willkürlich und versprechen nach der bisherigen Erfahrung keinen Mehrwert. Die Teilnahme an Schulungen im hauseigenen Schulungszentrum ist möglich. Interessanter und unter Umständen möglich, finde ich hingegen die Möglichkeit einzelne Schulungen bei externen Anbietern wahrzunehmen. Ansonsten ist man im Kollegium bemüht, Wissen auszutauschen und lernt so letztlich am meisten.