Früher war nicht alles besser, die STN aber auf jeden Fall
Gut am Arbeitgeber finde ich
Als ich bei den STN ein Praktikum machte und dann (rund 15 Jahre lang) als Freelancer anheuerte, gab es dort eine in der deutschen Medienlandschaft vermutlich einmalige Besonderheit: Das Unterhaltungsressort war für die Wochenendseiten und auch die Wissenschaftsberichterstattung zuständig. Hier durfte man über universitäres Geschwurbel ganz offiziell herzlich lachen, andererseits TV-Schwachsinn todernst nehmen! Super Team, super Chefin, super Betriebsklima! (Dem Rest der STN konnte man Spaß,Kreativität und dergleichen auch früher schon nicht vorwerfen.)
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Ich arbeite da nicht mehr.
Verbesserungsvorschläge
Das regelt der Markt von alleine!
Jungen Menschen, die unbedingt in eine absterbende Branche einsteigen wollen, möchte ich nahelegen, sich lieber um ein Praktikum bei einer interessanten, noch nicht so toten Großstadtzeitung (z.B. "taz") oder beim Greenpeace-Magazin zu bemühen. Noch besser: gleich einen eigenen Laden im Internet aufmachen!
Arbeitsatmosphäre
(siehe Vorgesetztenverhalten: Das Betriebsklima soll nicht gut sein, weil sonst die Angestellten nicht in gewünschter Anzahl freiwillig gehen würden...)
Kommunikation
Die Kommunikation von Geschäfts(miss)erfolg und Entscheidungen der Unternehmensführung erfolgt über Konkurrenzmedien, bzw. einschlägige Internetplattformen, seltener über Flurfunk (siehe Kollegenzusammenhalt).
Kollegenzusammenhalt
Kollegenzusammenhalt wäre angesichts der erfolgten & noch abzusehenden Entlassungswellen zuviel verlangt. Da muss jeder selber schauen, wo er oder sie bleibt! Übrigens ist das ganze Pressehaus Stuttgart-Möhringen formal in einzelne kleine Subunternehmen aufgeteilt, so dass sich meist auch Themen wie "Betriebsrat" oder "gewerkschaftliche Organisation" gar nicht erst stellen...
Work-Life-Balance
Die STN-Bedingungen sind Journalismus-typisch. Wer Kinder oder Familie haben wollte, wäre bei einer Zeitung sowieso in der falschen Branche!
Vorgesetztenverhalten
Verschiedene Spar- und Entlassungsrunden haben weder den Betrieb noch das Betriebsklima verbessert. Die Vorgesetzten haben offensichtlich die Aufgabe, die Mitarbeiterzahl zu reduzieren - da sind die Methoden nicht immer schön. Mittlerweile werden nicht einmal mehr Arbeitszeugnisse/Arbeitsbestätigungen ausgestellt, selbst für langjährige Mitarbeiter.
Interessante Aufgaben
Die sinkenden Auflagen & Einnahmen führen bei Tageszeitungen generell zu schlechteren Arbeitbedingungen, schlechterer Qualität des Produkts und Erosion journalistischer Standards - was sich dann auch wieder negativ auf die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit auswirkt. Die STN sind da keine Ausnahme. Das journalistische Personal wird zunehmend für eigentliche sachfremde Aufgaben eingesetzt (Werbung, Abo-Keilen u.ä.). Heutzutage werden ja auch glücklicherweise keine Reporter mehr gebraucht, die eigenständig irgendwelche Sachen recherchieren würden...
Gleichberechtigung
In der Hinsicht ist mir nichts Besonderes aufgefallen. Ich bin aber auch weiß, männlich, hetero & voll arisch. Ich kann mich nicht erinnern, im Pressehaus jemals fremdländisch aussehende/nicht-weiße Menschen gesehen zu haben - abgesehen von den Altersheimen wahrscheinlich einer der letzten Orte in Stuttgart ohne Multikulti.
Umgang mit älteren Kollegen
"Langdienende Kollegen" wären zu teuer und hätten zu viel Lebenserfahrung! Journalismus ist generell eine junge Branche, die am liebsten mit jungen und willigen Praktikanten arbeitet - das Rausekeln von Alten ist daher nicht STN-spezifisch, sondern allgemeine Praxis.
Arbeitsbedingungen
Die Technik ist ok. (d.h. ich habe anderswo auch schon schlechteres Equipment gesehen).
Schlecht für die Arbeit ist der abgelegene Standort des Pressehauses am Stadtrand. Eine Redaktion sollte sinnvollerweise im Stadtzentrum angesiedelt sein, d.h. in der Nähe von Ministerien, Landtag, Bibliotheken, Uni, einkaufenden Hausfrauen etc... (Im Internet recherchieren können die Leser auch selber zu Hause.)
Gehalt/Sozialleistungen
Die Kantine ist gar nicht so schlecht. Gehört aber auch einem anderen Unternehmen. Plus: sehr schönes Parkhaus mit direkter Sichtverbindung zum Arbeitsplatz - die Autos können sich wirklich nicht beklagen.
Image
Aufgrund von Verwicklungen in die S21-Affaire, die ins Fadenkreuz verschiedener Bürgerinitiativen gerieten, und sinkender Auflage, wäre es nicht angebracht, im Zusammenhang mit den STN von "gutem Ruf" zu sprechen.
Die STN segelten auch schon früher im Schatten einer konkurrierenden, überregional bekannteren Zeitung aus dem gleichen Pressehaus (d.h. man musste sich im Bekanntenkreis immer rechtfertigen, wieso man es nicht einen Stock tiefer zur "besseren" Zeitung gebracht hatte. Bzw. musste kleinlaut zugeben, dass man nicht für xy, sondern nur für die STN arbeitet).
Karriere/Weiterbildung
Weiterbildung kostet Geld und bringt Mitarbeiter bloß auf dumme Gedanken! Besser, man fängt so etwas gar nicht erst an... (Ausnahme: Management-Kurse für leitende Angestellte. Schließlich lebt eine Zeitung ja nicht von Journalismus.)
Abgesehen davon müsste es im Fall STN natürlich "beruflicher Ausstieg" und "Personalabwicklung" heißen - d.h. ein sinnvolles Kriterium wäre allenfalls, ob die Kündigungen mehr oder weniger fair über die Bühne gebracht werden.