Früher Top - heute Flop.
Gut am Arbeitgeber finde ich
Als Zwischenstation für die Familienphase wegen der guten Work-Life-Balance ideal. Toller Kollegenkreis.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Man muss nur aufpassen, dass man nach ein paar Jahren weiterzieht, wenn man noch in der Lage sein will, in einem normalen Unternehmen zu bestehen, das auf effiziente Prozesse setzt und Strategien entwickelt. Prognose: In 3-5 Jahren wird Unic keine Software mehr programmieren, sondern nur noch Holacracy-Beratung vertreiben.
Verbesserungsvorschläge
Alle Verbesserungsvorschläge schon besprochen. Alles durch weiche Worte abgefedert. Und dann genauso weitergemacht wie bisher.
Arbeitsatmosphäre
Unic war mal ein Ort, an dem sich spannende Leute aus allen möglichen Bereichen fachlich ausgetauscht und gefördert haben (UX, UI, Backend, Sales, QA). In den letzten Jahren aber zu viele negative Entwicklungen:
(1) Holacracy wurde per “Big Bang” eingeführt und dabei gleich alle Prozesse plattgemacht, auch die ganz alltäglichen, bei denen kein Mensch disruptive Innovation braucht. Wie immer in solchen Fällen, ein Nährboden für Schattenhierarchien. Wer vorher das Sagen hatte, zieht immer noch im Hintergrund die Fäden.
(2) Früher schnelle Entscheidungswege. Jetzt massenhaft langwierige Sitzungen ohne Agenda (so gefordert von Holacracy), so dass man nie weiß, bei welchem von mehreren parallelen Meetings sich die Teilnahme lohnt. Themen aufbringen nur erlaubt durch kurze Entscheidungsvorlage, die in ein Programm eingegeben werden muss. Lauter Regeln, wer wann was sagt, sogar wie es formuliert werden muss. Dadurch sind die Arbeitnehmer so in Regelwerke verstrickt, dass sie in den Meetings nur noch banalen Kleinkram besprechen, weil das Format keine sinnvolle Diskussion erlaubt.
Kommunikation
Die Schweizer Leitung reist regelmäßig nach Deutschland und informiert über Unternehmensentwicklung und Zahlen, die Schweizer Vorstände sind sehr volksnah und offen für Fragen und Diskussion.
Über Strategie wird merkwürdig wenig geredet. Das wäre aber überfällig, weil sich im eCommerce immer mehr Anbieter tummeln, die Margen immer kleiner werden und ohne technische Innovation und Prozessberatungskompetenz das Geschäftsmodell bald nicht mehr trägt.
Kollegenzusammenhalt
Die Kollegen sind das Beste bei Unic, lauter tolle und interessante Leute, mit denen man Spaß haben kann. Leider in den letzten Jahren fast alle Leistungsträger gegangen, insgesamt mehr als ein Drittel der Belegschaft. Darunter auch Mentoren, die für mich wichtig waren. Viele der Neuankömmlinge sind auch nicht lang geblieben. So ist ein Großteil der Belegschaft ständig ins Recruiting von neuen Mitarbeitern eingebunden. Wir halten gemeinsam die Fahne hoch und bemühen uns, wie gefordert, durch gute Bewertungen und Außendarstellung die Lücken aufzufüllen. Aber langsam wäre es mal fällig, die Gründe für die Fluktuation anzugehen, anstatt diese als “branchenüblich” abzutun.
Work-Life-Balance
Durch Projektgeschäft kann man es je nach Einsatzgebiet so erwischen, dass man sich mit Reisen und Überstunden aufreibt, oder so daß man eine ruhige Kugel schiebt.
Inzwischen homogenisiert sich aber das Feld: Die erfahreneren Mitarbeiter, die sich nicht der verwaltenden Holokratenkaste angeschlossen haben, sondern etwas bewegen wollten, sind von Bord gegangen. Als jüngere Riege versuchen wir die Lücken aufzufüllen und arbeiten nach dem Prinzip “Leben und Leben lassen”. Gut leben lässt es sich, wenn man wenig Zusatzrollen übernimmt und schon gar keine mit Ergebnisverantwortung. Dann kann man früh nach Hause, was sich insbesondere in der Kinderphase richtig lohnt.
Natürlich fährt so auch vieles gegen die Wand, was sich in eher unterdurchschnittlichen Gehältern niederschlägt, aber alles kann man nicht haben.
Vorgesetztenverhalten
Ergebnis der „Big Bang“-Holacracy-Einführung: Aus den alten Führungskräften hat sich eine Holokratenkaste gebildet, die nichts anderes mehr macht, als in Meetings alles mit allen zu besprechen und Entscheidungen durch X Hände durchzureichen, so dass keiner mehr offiziell Verantwortung trägt. Die wichtigen Themen wie Rollenbesetzungen, Gehaltserhöhungen, Budgets, etc. werden hinter den Kulissen geregelt, und zwar nach nicht offengelegten Kriterien.
Nach offizieller Lesart gibt es keine Führungskräfte mehr. Wenn ihnen etwas gegen den Strich geht, gibt es sie plötzlich doch.
Das Gute daran: Die Holokraten haben definitiv mehr Spaß und sind entspannter als vorher. Das Fußvolk konzentriert sich auf seinen minimalen Radius, bekommt ab und zu ein bisschen Scheinbeteiligung zu Pipifax-Themen und lebt ansonsten Work-Life-Balance. Wer was bewegen wollte, ist längst gegangen.
Interessante Aufgaben
Fachlich durch den Mix verschiedener Technologien und Fachrichtungen wie Sales, UX, UI, Backend, QA und viel Kundenkontakt und Reisen super interessant. Wichtiger wären aber Entwicklungsperspektiven.
Arbeitsbedingungen
Wenn ich lese, dass erst Holacracy es ermöglicht, verschiedene Zusatzrollen zu übernehmen, bin ich sprachlos. Ich kenne keinen engagierten Menschen, der erst einen Chef in der Rolle “Lead Link” gebraucht hätte, der ihm per Eintrag in eine Software ein kleine Zusatzrolle zuweist, um sich entfalten zu können. Wenn man das genaue Gegenteil von New Work sucht - hier ist es. Attraktiv ist das vielleicht für schüchterne Seelen ganz an Anfang ihrer Berufslaufbahn, so ein regelbasierter Sandkasten.
Gehalt/Sozialleistungen
Eher unterdurchschnittlich. Hier schlagen der fehlende Blick auf Effizienz und die umständlichen Prozesse aufs Budget durch, ebenso wie beim mageren finanziellen Rahmen für Fortbildungen. Solange man früh nach Hause gehen kann, sind erst mal alle happy und blenden die Misstände aus. Sobald es dann um Finanzielles geht, machen die Betroffenen lange Gesichter.
Image
Kennt leider kaum einer.
Karriere/Weiterbildung
Entwicklungsperspektiven bescheiden: Manche haben mehrere Dutzend Rollen. Schon bei mehr als einer kann man in Gehaltsverhandlungen nicht mehr begründen, was einen aus der Bandbreite der Durchschnittsgehälter heraushebt. Es wird einem entgegengehalten, dass es kein vergleichbares Rollenbündel gibt. Tipp: Kaum jemand hat nach der Unterschrift unter den Arbeitsvertrag noch nennenswerte Gehaltserhöhungen gesehen, daher am besten gleich bei Eintritt ein Niveau aushandeln, mit dem man auf Dauer leben kann.
Als schwierig hat sich aber erwiesen, auf dem Arbeitsmarkt eine Holacracy-Vergangenheit zu “verkaufen”. Wie kann ich angesichts der wechselnden Rollenbündel darstellen, was ich wie lange auf welchem Verantwortungslevel gemacht habe? Da Unic nach enormen Investitionen in Holacracy-Berater jetzt selbst Holacracy am Markt verkauft, um das Geld wieder rein zu holen, werden diese Nachteile in der Außendarstellung vehement bestritten. Aber da sich auch die Umständlichkeit der Prozesse langsam in der Branche herumspricht, taugt Unic zumindest als Sprungbrett für verantwortungsvollere Positionen definitiv nicht.