Wer es hier aushält, der kann auch über eine Navy SEAL-Ausbildung lachen.
Arbeitsatmosphäre
Die Atmosphäre während der Arbeit empfinde ich nicht anders als in normalen Haftanstalten. Ständige Beobachtung durch den Wachturm, Listen über Dauer, Tätigkeit, Telefonate, Pausen und Toilettengänge. Arbeitsanweisungen nach Drill. Meistens nach dem Schema: „Sie haben X Minuten Zeit, dann kommen Sie zu mir“. Eine Maschine macht in X Minuten Y Ergebnisse! Nennt mich verrückt, für mich ist das nicht die Definition von Arbeiten ohne Druck oder Hektik. Ich bin mir aber relativ sicher, eine Industriemaschine kann dort glücklich werden. Ein weiterer Vorteil: Die Arbeit wird nicht nur geprüft, sondern auch von Vorgesetzten nachträglich verändert. Fehler in Druckerzeugnissen, waren nur anfangs ein Grund zur Panik. Da wusste ich noch nicht, dass diese durch die Vorgesetzten anscheinend bewusst eingebaut werden. Aber ich wurde aufgeklärt, dass ein BWL-Studium nicht nur betriebswirtschaftliche Fähigkeiten vermittelt, sondern auch durch das Erstellen von PowerPoint Präsentationen mit einer Designausbildung gleich zu setzen ist. Wie ich lernen musste, beinhaltet dieses Studium auch die Qualifizierung zu einem Fotografen, Online Marketing- und Social Media Manager.
Kommunikation
Meiner bescheidenen Meinung nach, ist Kommunikation hier das wichtigste. Die Vorgesetzten haben ständig das Bedürfnis, der Belegschaft Einfälle oder Weisheiten mitzuteilen. Egal, wie unausgereift diese sind. Dabei wird auch nach dem Feedback des Teams gefragt. Also nicht, dass dieses Meinung berücksichtigt wird, sondern nur um auf Kritik mit: „Egal, machen Sie es trotzdem so wie ich es will“ zu antworten. Dafür wird sogar wöchentlich ein Jour Fixe abgehalten. Das bietet nochmal die Möglichkeit, dass alle einem Monolog lauschen können, der zwischen 5 – 30 Minuten dauern kann. Danach darf jeder nochmal seine Liste vorlesen, in der notiert wird, welche Fehler von welcher Person gemacht wurden. Persönlich hatte ich viel Spaß bei einigen Situationen, denn über einige Weisheiten muss ich heute noch lachen. Glücklicherweise kann man viele dieser cleveren Lehrsätze online nachlesen. Solch ein Talent verpflichtet schließlich zum Verfassen und selbständigen Puplizieren ganzer Bücher. Aber etwas Spaß darf man bei der Arbeit schließlich auch haben. Denn wie mir gesagt wurde: „Wenn Sie mit dem Auto an einer roten Ampel stehen und es ist niemand da, dann fahren Sie ja auch einfach weiter.
Kollegenzusammenhalt
Soweit ich das sehe, unterscheidet sich das wenig von anderen Kollegenteams. Mit einigen kommt man gut klar, mit anderen weniger. Aber das wird hier auch versucht zu unterbinden. Ein kollegiales, oberflächiges Verhältnis ist gewünscht. Finden längere Fachgespräche mit Kollegen statt, welche natürlich auf der Liste dokumentiert sind, herrscht schnell Misstrauen. Dann kann es schonmal passieren, dass Arbeitsplätze neu verteilt werden und man in einem anderen Raum in der Firma sitzt. Abteilungen sind wirklich überbewertet, dann läuft man eben für jede Absprache hin und her. Finde ich super, hält mich fit und sonst würde ich ja ständig nur vor dem Monitor sitzen.
Work-Life-Balance
Ich würde schon behaupten, dass es eine gute Work-Life-Balance hier gibt. Arbeitszeiten werden strikt eingehalten. Oft sind die Kollegen schon weg, bevor die Rechner richtig runtergefahren sind. Sie lieben einfach, was sie tun! Es muss auch keiner Angst haben, zu viele Überstunden anzuhäufen. Da nur einzelne Personen Schlüssel für die Eingänge haben, wird man regelrecht rausgeworfen. Da ist es plötzlich doch nicht so wichtig, wann und wie schnell ein Projekt fertig wird.
Vorgesetztenverhalten
Das Verhalten der Vorgesetzten war in meinen Augen oftmals unangemessen. Dabei habe ich mich teilweise wirklich unwohl gefühlt. Kommentare über attraktive Studentinnen in kurzen Röcken möchte ich wirklich nicht mit Vorgesetzten führen. Konflikte werden ignoriert oder überspielt. Mitarbeiter, die während des Jour Fixe in Tränen ausbrechen, werden mit emphatischen Worten aufgefordert, dies zu unterlassen. Kommt es zu Streit unter Mitarbeitern, darf man sogar zusammen mit den Vorgesetzten darüber lachen. Frauen... Müssen immer jemanden zu streiten suchen. Aber wer jetzt denkt, man kann sich alles erlauben, der sei gewarnt. Denn bei richtigen Komplikationen werden die Notizzettel ausgepackt! Dann kommt man schon mal unbeschwert in die Küche und plötzlich eine Notiz. DAS IST KEINE ABLAGEFLÄCHE!!! Da wäre mir vor Schreck fast die Tasse mit dem selbst mitgebrachten Kaffee aus der Hand gerutscht. Diskussionen innerhalb der Geschäftsführung gibt es auch wie in jedem Unternehmen, aber vor versammelter Mannschaft, als schw...gesteuertes A... bezeichnet zu werden. Nicht unbedingt ein angemessenes Verhalten, aber da stehe ich vielleicht wieder alleine da mit meiner unmaßgeblichen Meinung.
Interessante Aufgaben
Ich denke mal, in jedem neue Job lassen sich die Aufgaben anfangs als interessant beschreiben, sonst würde ich den Job nicht antreten. Das hat nach meinem Empfinden leider sehr schnell nachgelassen, denn die Aufgaben wiederholen sich ständig. Kundenkontakt findet fast ausschließlich per E-Mail oder Telefon statt. Produkte anlegen, ausdrucken, verpacken und verschicken. Die interessante Aufgabe des Gestaltens beschränkt sich dabei auf das Austauschen der Jahreszahlen in den Kalender-Produkten. Das aufregendste für mich war der im Jahr 2019 stattgefundene Wechsel des Kaisers in Japan. Denn dort gilt der Geburtstag des amtierenden Kaisers als Feiertag. Das bedeutet, man setzt den sogenannten japanischen Tenno Feiertag auf einen komplett anderen Monat! Junge, das war was. Wieder was gelernt!
Gleichberechtigung
In meinen Augen gibt es keine Ungleichheit, was die Aufstiegschancen betrifft. Dafür müssten diese erstmal geschaffen werden. Arbeitskräfte sind da, um das zu tun, was die Vorgesetzten befehlen. Auch hier wieder ein Zitat: „Ich bezahle Sie und Ihre Zeit gehört mir, solange Sie hier sind“. Der große Teil der Belegschaft ist weiblich. Der Wiedereinstieg wird hier sehr leicht gemacht, neue Kollegen müssen dementsprechend dann wieder entlassen werden. Aber für die Wiedereinsteiger finde ich das gut. Für die Entlassenen natürlich nicht, aber für die Wiedereinsteiger super.
Umgang mit älteren Kollegen
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ältere Kollegen, die länger im Unternehmen sind, auch dort bleiben. Das betrifft einen großen Teil der Angestellten. Ob sie glücklich sind oder einfach keine Alternative haben, weiß ich nicht... Naja weiß ich schon, aber egal. Das Problem sehe ich eher bei den jüngeren Kollegen. Während meiner Zeit gab es mehrere junge Kollegen, die kamen und wieder gegangen sind, da sie unzufrieden waren. Für mich ein sehr altmodisches Führungsmodell.
Arbeitsbedingungen
Aus meiner Sicht sind die Arbeitsbedingungen der größte Kritikpunkt. Rechner laufen mit dem benutzerfreundlichen Windows 7. War damals schon im Jahr 2009 gut, wird ja nicht schlechter? Defekte Kabel, fehlerhafte Bildschirme, Rechner mit unzureichender Leistung. Es gibt auch hier einzelne Ausnahmen. Bei der Geschäftsführung sind die Computer ganz gut, also nur die der Mitarbeiter sind nicht die neusten. Software hängt sich gerne mal auf, aber das kann auch daran liegen, dass die Adobe Creative Suite 5 mittlerweile auch schon fast 10 Jahre alt ist. Aber Kunden haben oft Verständnis dafür, wenn man ihnen telefonisch erklärt, wie eine Datei mit aktuellen Programmen abgespeichert werden muss, damit wir sie auch öffnen können.
Schimmelnde Wände, tropfende Decken und Türen ohne Griffe haben mich wenig gestört. Das war meist in anderen Abteilungen und deshalb konnte ich drüber lachen. Man stelle sich nur mal vor, jemand sitzt an seinem Schreibtisch und es fällt die durchnässte Deckenfliese auf ihn. Zum Totlachen. Und wird die Temperatur in den Büroräumen doch mal zu kalt oder warm, kann man sich problemlos mit Kollegen um die wenigen transportablen Heiz- und Lüftungsgeräte streiten.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Soweit ich mich erinnere und das beurteilen kann, stand in der Küche eine Art Komposthaufen. Einer von diesen Komposthaufen, wo jede Art von Abfall hineinkommt, egal ob Plastik, Glas, Restmüll oder Papier. Es existiert auch ein Müllplan. Da müssen Mitarbeiter das Geländefeld mit solchen Greifzangen reinigen, ganz genau wie beim Schulhofdienst, falls sowas noch existiert.
Gehalt/Sozialleistungen
Meiner Einschätzung nach werden keine zufriedenstellenden Gehälter gezahlt. Persönlich empfinde ich es als ausreichend, wenn eine ausgebildete Fachkraft geradeso einen zweistelligen Stundenlohn erhält. Auch Urlaub sollte niemand mehr als 20 Tage im Jahr haben. Geld und Freizeit werden in der heutigen Gesellschaft bekanntlich viel zu überbewertet. Gerne wird auch mit dem Anwesenheitsbonus geworben, was dazu verleiten soll, so wenige Tage wie möglich zu fehlen. Aber der wird auch nicht zu ernst genommen. Da nimmt man schon mal in Kauf, dass sich die anderen Mitarbeiter anstecken, weil jemand krank zur Arbeit erscheint. Außerhalb des Unternehmens habe ich bereits von solchen Mythen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, Sonderurlaub oder Betriebsfeiern gehört. Aber auch hier keine Angst vor solchen Sagen. Daran glaubt hier niemand.
Image
Meiner ehrlichen Meinung nach wird nirgends so hart gearbeitet wie an diesem Punkt. Es wird mit aller Kraft versucht, das Unternehmen nach außen als makellose Einheit darzustellen. Ständig werden Produkte an Kunden verschenkt, Mitarbeiter vor Externen präsentiert und als großartiges Team verkauft. Sobald Fremde im Unternehmen auftauchen, wird gelobt, gelacht und auch mal eine Pizza spendiert. Auch hier wieder ein ABER. Pizza gibt’s dann auch nicht für jeden, sondern nur für einzelne Mitarbeiter. Da kann man sich jetzt rechtfertigen, wer würde denn die ganze Firma einladen. Das gilt vielleicht für große Unternehmen, aber nicht für das ach so familiäre Team mit 15 Leuten. Dann werden 10 eingeladen und die restlichen 5 dürfen zusehen und sich die Reste aufteilen. Solch ein fader Beigeschmack führt dann nur dazu, dass Mitarbeiter der Geschäftsführung buchstäblich auf das Essen spucken.
Karriere/Weiterbildung
Zu diesem Thema habe ich wirklich gar nichts zu sagen. Es gibt aus meiner Sicht keine Aufstiegschancen. Das Unternehmen besteht aus wenigen Bereichen, die alle von der Geschäftsführung kontrolliert werden. Wer die Hoffnung auf irgendeine Art von Weiterbildung hat, kann auch hier vergeblich warten. Diese sind der Geschäftsführung vorbehalten.