Außen Hui, Innen Pfui und mehr Schein als Sein
Gut am Arbeitgeber finde ich
Das Gefühl mit Freunden zusammen zu arbeiten ist in dieser Form tatsächlich außergewöhnlich. Vielleicht hat es damit zu tun, dass die meisten Menschen dort von Natur aus sehr offen sind. Diese daraus sich entwickelnde Mentalität und „Familienkultur“ macht es einem deutlich leichter, dort zu arbeiten.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Die angesprochenen Gehaltsstrukturen, keine Sonderzahlungen und die Entwicklungsmöglichkeiten die es quasi nicht gibt.
Verbesserungsvorschläge
Was dieser Firma fehlt, ist das was erfolgreiche Unternehmen auszeichnet: ein Betriebsrat. Es arbeiten auch immer noch genug gute Mitarbeiter dort, die gehört werden und ernst genommen werden müssen. Mehr Mitbestimmung von Mitarbeitern wäre für die Firma Trumpf. Alle von mir genannten Punkte würden für eine offenere, transparentere und ehrlichere Kommunikation führen. So wie die Firma allerdings aktuell aufgestellt ist, sehe ich hier kaum Potenzial auf Besserung.
Arbeitsatmosphäre
Zahlengetriebener Alltag auf allen Eben. Permanenter Druck Ziele zu erreichen mit der Gewissheit, dass man den Zahlen IMMER hinterher eilt. Zwar klopft man sich gegenseitig dafür kurzzeitig auf die Schultern, aber der Druck ist nie wirklich weg, denn die nächste Hürde steht wieder an mit der Frage: hört das auch mal wieder auf? Natürlich ist man zum Arbeiten da, aber hier arbeitet man sich ab, Kollegen werden verheizt und ersetzt wie am Fließband. Wenn das Team stimmt in dem man arbeitet, kann man zwar seinen Frust freien Lauf lassen und die Dinge ansprechen die dazu führen nie fertig zu werden. Aber die Teamleiter sind letztlich auch nur Spielbälle von studierten Projektmanagern die auch nur nach Zahlen arbeiten. Teufelskreislauf.
Kommunikation
Wenn es einen Geist in dieser Firma gibt der sein Unwesen treibt, dann der, der sich über das Thema Kommunikation her macht. Meetings gibt es noch und nöcher. Zahlen und Projekte präsentieren kann jeder Head-Of-Irgendwas, weiß jeder und auch viel besser als jeder andere. Läuft es gut, bekommt am meisten der Applaus der am wenigsten mit der Sache zu tun hatte und läuft was falsch, will keiner verantwortlich sein und schiebt es anderen in die Schuhe. Schöne Versprechen einer besseren Zukunft halten meist nicht lange, dennoch wird man nie müde immer und immer wieder das Gleiche zu erzählen. Das Rad wird immer wieder neu erfunden, nur eben von anderen Head-Of-Menschen um später festzustellen dass das irgendwie nicht funktioniert hat. Das krasse ist, jeder weiß dass die Kommunikation teils unterirdisch ist und die Chefs geloben Besserung, Effekte gibt es aber wenn nur kurzfristig welche, nachhaltig ist aber nur selten was dabei. Am meisten leiden die darunter, die unter solchen Bedingungen ihre tägliche Arbeit verrichten und das Geld reinholen müssen: Sales und die Functional-Teams (Einkauf, Partnermanagement, Abrechnung,…). Frei nach dem Motto: Friss oder Stirb
Kollegenzusammenhalt
Es finden sich immer „Leidgenossen“ mit denen man teils nicht nur gut kann, sondern richtige Freundschaften entstehen. Das ist aber mal neutral betrachtet, ein automatischer Vorgang. Der Zusammenhalt entsteht aus dem Druck der von ganz oben nach ganz unten weiter gegeben wird. Alleine kommt man hier eh nicht weit und geht innerlich zugrunde. Deswegen suchen und finden sich immer wieder Kollegen die zusammen durch Dick und Dünn gehen, das macht die Arbeit nicht nur erträglicher, sondern ist teils der Hauptgrund, warum man viele Jahre hier „glücklich“ arbeiten kann. Ist man der Typ dafür und kann die teils lauten Nebengeräusche der täglichen Arbeit ausschalten, kann auch das einer der Hauptgründe sein hier zu arbeiten. Geht nicht wenigen so, nur gesund ist das leider auch nicht wirklich.
Work-Life-Balance
Ist alles in allem hier recht gut. Arbeitszeit-und Urlaubsplanung kann auch mal flexibel gestaltet werden. Home-Office jederzeit möglich. Es gibt einige viele Eltern, die sich mit der Art hier zu arbeiten sehr gut arrangieren können. Mehrarbeit / Extrameile ist zwar Gegenstand von Feedbackgesprächen, aber letztlich auch egal (was in den höheren Kreisen der Hirarchiekette wiederum zum guten Ton gehört, aber sich noch keinen wirklich beschweren hören). Arbeitszeiterfassung gibt es nicht, kann man auch gut „ausnutzen“, solange man gute Arbeit macht juckt es auch keinen.
Vorgesetztenverhalten
Ich selbst hatte mit meinen Vorgesetzten gute bzw. keine schlechten Erfahrungen gemacht. Um allgemein zu bleiben: jeder Vorgesetzte arbeitet ganz nach seinem Geschmack und kann sich frei ausleben. Es kann dich also gut oder auch nicht so gut treffen. Aber auch die Vorgesetzten haben wiederum Vorgesetzte die genauso drauf sein können. Die meisten sind von der guten Sorte Mensch die dir nichts schlechtes Wollen. Wie es aber mit der Kompetenz aussieht, kann sehr stark variieren und scheint teils gar nicht so wichtig zu sein. Theoretisch kann jeder Akadamiker hier alles machen, abhängig von Vitamin B und wie gut er / sie sich verkaufen kann. Ich konnte mir die Wechselspielchen unter den Vorgesetzten / Teamleitern / Head-Of‘s hier lange genug ansehen - die Erkenntnis: viel Luft nach oben, vor allem auf der Kompetenz-Ebene.
Interessante Aufgaben
Viel und vielfältige Arbeit gibt es zu Hauf. Fertig wird man wie gesagt nie. Wenn man irgendwann routiniert genug ist und gelernt hat, mit den teils sehr schlecht durchdachten Strukturen und Prozessen zurecht zu kommen, geht einem auch die Arbeit leicht von der Hand. Man kann selbstständig arbeiten, auch so dass man in Ruhe gelassen wird. Bei Problemlösungen hilft es immer, wenn man Leute kennt die ihre Arbeit wirklich gut machen um ans Ziel zu kommen. Man MUSS über den Tellerrand gucken wollen können, sonst kann man schnell in ein Silodenken verfallen. Zu dieser Sorte gehörte ich nicht, zum Dank gab es noch mehr Arbeit. Wertschätzung dafür gibt es unter den guten Kollegen aber dennoch, was ein gutes Gefühl gibt wirklich gebraucht zu werden. Kann ausgenutzt werden, aber das ist nicht das größte Problem. Die Arbeitslast ist teils so erdrückend, dass man sich glücklich schätzen kann, wenn man mal was wirklich sinnstiftendes machen durfte.
Gleichberechtigung
Bis zum gewissen Grad können auch Frauen eine leitende Position bekommen, handelt sich aber eher um Teamleiter-Posten. Eine Etage höher sieht es schon ganz anders aus. Es würde dieser Firma deutlich besser gehen, würde man mal auf die Frauen hören, von denen kommen zumeist die besten Ideen. Aber leider gehört auch diese Firma zu denen, wo die Männer das Sagen haben. Diskriminierung hatte ich aber nicht erlebt, maximal beim Gehalt, darüber wird ja aber bekanntermaßen eh wenig gesprochen.
Umgang mit älteren Kollegen
In der Start-Up-Phase bis ca 2017 gab es kaum Kollegen über 40 Jahre. Im Sales musste man aber aufgrund des Wachstums auch auf älteres Personal zugreifen. Von denen blieben aber die wenigsten länger als 2 Jahre. Ältere Kollegen sind dank über ein Leben lang herangereifte Weisheit nicht so leicht für doof zu verkaufen, hinterfragen aufgrund überwundener Naivität mehr und arbeiten auf Grundlage von Erfahrungen und lassen sich deshalb nicht so leicht steuern. Unangenehm… deswegen arbeitet man lieber mit jüngerem Personal, das lässt sich auch noch besser verheizen. Insofern findet man mittlerweile kaum noch ältere Kollegen. In die Rente ist dort noch niemand übergegangen, wird wohl auch noch etwas dauern.
Arbeitsbedingungen
Das Büro ist an sich gemütlich, schöne Küche, Tischkicker, Tischtennisplatte mit großer Terasse, lädt zum Feierabend-Bierchen regelrecht ein, Dartsscheibe,… das lässt sich hervorheben. Hat aber nicht viel mit der Arbeit zu tun. Man bekommt einen wirklich einfachen Lenovo-Laptop und Headset, muss reichen. Home-Office richtet man sich ganz nach eigenem finanziellen Spielraum ein, Zuschuss gibt es nicht. Im Büro ist die Ausstattung eher Einstiegsklasse bzgl. Bestuhlung und technische Ausstattung, reicht zum Arbeiten als junger Mensch aber aus. Klimaanlage im Sommer passt, im Winter macht die Heizung eher was sie will, da muss man sich schonmal warm anziehen.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Mindeststandards werden erfüllt, darüber hinaus gibt es keine wirklichen Bemühungen. Gab zwar mal eine Task-Force, umgesetzt wurde aber kaum was, war alles eher heiße Luft. Da ist noch viel Platz nach oben.
Gehalt/Sozialleistungen
Gehalt ist frei verhandelbar. Je lauter und unangenehmer man ist, desto mehr kann man auch herausschlagen. Nach Leistung wird nicht wirklich bezahlt, auch wenn man so tut als ob. Wenn man nicht nach einer Gehaltserhöhung fragt, fällt man hinten durch. Fragt man nach einer Erhöhung wird nicht selten auf Zeit gespielt oder „das Unternehmen kann sich das gerade nicht leisten“, oftmals eine billige Lüge, gerade dann wenn man mitbekommt, für wen auf einmal doch Geld da ist. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld gibt es nicht, auch keine weitere sozialen Leistungen. Seit neuestem gibt es aber das 49 € Ticket kostenfrei, immerhin. Mit Feiern und Lunchmöglichkeiten (Lieferando) tut man zwar so als ob es genug on top gäbe, ist aber eher Augenwischerei. Am Ende muss man selbst wissen ob es es einem Wert ist, für den Verdienst dort seine Kraft und Lebenszeit aufzuopfern.
Image
Siehe Überschrift. Die Firma kann sich sehr gut verkaufen, so gut, dass auch die Investoren weiter munter Geld überweisen. Man rennt seit Jahren seinen eigenen Ansprüchen hinterher. Im Markt anfangs belächelt, zwischenzeitlich mal kurz ernst genommen und auch kopiert worden, in der Wachstumsphase jedoch das wichtigste aus den Augen verloren: Profitabel werden. Problem dann aber erkannt und dann hat die Firma versucht sich neu aufzustellen und dabei wieder einige Fehler gemacht: schlecht kommunizierte Entlassungswelle, Belegschaft aufgeschreckt und halbherzige Versuche Prozesse umzustellen. Die Firma befindet sich an einem kritischen Punkt und muss sich ordentlich strecken, um die Investoren bei der Stange zu halten bzw. sich mal selbst tragen zu können.
Karriere/Weiterbildung
Wie schon bei Vorgesetztenverhalten erwähnt, mit Vitamin B kommt man weit, als „einfacher“ Mitarbeiter bleibt man da wo man ist. Auch hier hat man schon versucht sich zu verbessern, ist aber kläglich daran gescheitert. Damit kann die Firma jedenfalls keinen Blumentopf holen.