Die zehn Gebote - Eine Empfehlung für neue Mitarbeiter
Gut am Arbeitgeber finde ich
Ist das eine rhetorische Frage?
Arbeitsatmosphäre
Du sollst neben der Geschäftsführung keine anderen Götter haben.
Sollten Sie ein Mitglied der Geschäftsführung auf dem Flur herumstolzieren sehen, dann verhalten Sie sich, als ob Sie Gott persönlich begegnen. Beweisen Sie Ihre Ehrfurcht, indem Sie auf die Knie sinken, und verneigen Sie sich, bis Ihre Stirn den Boden berührt. Bitten Sie die Geschäftsführung um das Privileg, deren Schuhe oder Fahrzeuge mit Ihrer Zunge zu reinigen. So demonstrieren Sie, dass Sie verstanden haben, wo Ihr Platz in der Nahrungskette ist. Ganz wichtig: seien Sie loyal und beten Sie sonst niemanden an.
Kommunikation
Du sollst nicht in flachen Hierarchien denken.
Machen wir es nicht komplizierter, als es ist. Bei diesem Arbeitgeber gibt es genau zwei Hierarchiestufen: die Geschäftsführung und den Rest. Der Höhenunterschied zwischen diesen beiden Ebenen ist ungefähr so hoch wie der von Ihrem Keller zur Stratosphäre. Wenn Sie also nicht gerade über Wasser wandeln oder über dem Boden schweben können, sollten Sie lieber bei dem Rest bleiben. Es gilt das Prinzip: Ich King, du nix. Man könnte auch sagen: nach unten treten, nach oben...
Work-Life-Balance
Du sollst keinen Urlaub nehmen.
Sie wollen Urlaub? Wieso das? Urlaubsanträge sind ein Zeichen von Schwäche, denn damit zeigen Sie, dass Sie offenbar nicht mit großer Ausdauer und Belastbarkeit gesegnet sind. Außerdem ist ein Urlaubsantrag ein Beweis Ihrer schlechten Arbeitsmoral. Der Gipfel der Dreistigkeit ist erreicht, wenn Sie auch noch bezahlte Urlaubstage erwarten. Merken Sie sich: Ihr Arbeitgeber bezahlt Sie für Ihre Arbeit und nicht dafür, dass Sie faul zu Hause Däumchen drehen.
Vorgesetztenverhalten
Du sollst auch die andere Wange hinhalten.
Versuchen wir es mal mit ein wenig Empathie und versetzen wir uns in die Lage der Geschäftsführung. So ein feines Unternehmen zu führen kann ganz schön stressig sein, und regelmäßiger Frustabbau gehört nun mal dazu. Zeigen Sie also Verständnis, wenn die Geschäftsleitung Sie vor Ihren Kollegen oder Ihren Teilnehmern zur Schnecke macht, auch wenn Sie nichts falsch gemacht haben. Ihre Geschäftsführung wird sich danach ganz großartig fühlen, und das ist dann allein Ihr Verdienst. Betrachten Sie die Situation als Chance, aktiv zu einem besseren Betriebsklima beizutragen, und halten Sie beim nächsten Mal bereitwillig die andere Wange hin.
Interessante Aufgaben
Du sollst dich nicht fortbilden.
Mit Fortbildungen verhält es sich so ähnlich wie mit einer Gehaltserhöhung: sie sind unnötiger Luxus. Haben Sie mal daran gedacht, wie viel Geld so eine Fortbildung Ihren Arbeitgeber kostet? Nutzen Sie Ihre Freizeit und bilden Sie sich selbst fort, wenn Sie denken, dass Sie noch nicht gebildet genug sind.
Arbeitsbedingungen
Du sollst nicht den Mund aufmachen.
Haben Sie ein Problem mit Ihrem Arbeitgeber? Passt Ihnen irgendwas nicht? Behalten Sie Ihre Meinung für sich, wenn Sie sich nicht der Majestätsbeleidigung oder der Blasphemie schuldig machen wollen. Die Geschäftsführung weiß genau, was sie tut, und wird sich bestimmt nicht von einem Normalsterblichen wie Ihnen sagen lassen, was richtig oder falsch ist.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Du sollst nicht krank werden.
Nur die Harten kommen in den Garten, richtig? Richtig! Lassen Sie sich also nicht von Ihren Wehwehchen beeindrucken und gehen Sie zur Arbeit. Wo ein Wille ist, ist schließlich auch ein Weg. Es gilt die Devise: Wer noch atmet, kann auch arbeiten.
Gehalt/Sozialleistungen
Du sollst nicht für das Geld arbeiten.
Keine Frage: irgendwie muss man seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Alles, was darüber hinausgeht, ist jedoch unangebrachter Luxus. Deshalb bezahlt Ihnen das Bildungsinstitut niemals mehr, als es zahlen muss: nämlich den branchenüblichen Mindestlohn. Machen Sie also keine Dummheiten, indem Sie nach einer Gehaltserhöhung oder Sonderzahlungen fragen. Schließlich wollen Sie sich doch nicht den Ruf eines gierigen Egoisten erarbeiten, der seinen Arbeitgeber ausnehmen will, oder?
Image
Du sollst keine Wertschätzung erfahren.
Um das gleich eindeutig klarzustellen: Sie sind hier, um zu arbeiten. Punkt. In Ihrem Arbeitsvertrag steht nicht, dass Ihr Arbeitgeber Ihnen mit warmen, freundlichen Worten auch noch die Seele streicheln soll. Schließlich ist dies Ihr Job und kein Ponyhof. Mal ehrlich: warum sollte man sich bei Ihnen für Ihre gute Arbeit bedanken oder Ihnen ein Lob zukommen lassen? Letztendlich haben Sie damit nur die Verpflichtungen aus Ihrem Arbeitsvertrag erfüllt. Und das ist ja wohl selbstverständlich.
Karriere/Weiterbildung
Du sollst nicht Karriere machen.
Glauben Sie nicht alles, was Sie in Ihrem Leben zum Thema Selbstverwirklichung gehört haben. Seien Sie nicht so naiv. Schlagen Sie sich die Märchen bezüglich Aufstieg und Karriere aus dem Kopf und werden Sie endlich erwachsen!
Ach ja… da war doch was: genau, die Projektleiter! Sollten Sie stets brav und loyal gewesen sein, werden Sie eventuell Projektleiter für – halten Sie sich fest – sagenhafte 150 Euro brutto mehr im Monat! Das reicht mit ein bisschen Glück für eine halbe Tankfüllung.