Viel Schein, viel (Konformitäts)Druck
Gut am Arbeitgeber finde ich
Gehalt, Benefits, Technik, z.T. die Produkte
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Kommunikation, persönlicher Umgang, Selbstbild ≠ Realität, Positivitätszwang, Druck
Arbeitsatmosphäre
Ich kann nur von mir persönlich berichten, wohl wissend, dass viele z.B. die Arbeitsatmosphäre für sehr gut halten. Wer dazu bereit ist, mit Leib und Seele zu "einem Carlsen" zu werden, das möglichst in jedem Moment nach außen hin ausstrahlt und zu 110% in ihrem/seinem Job aufgeht, den Verlag am liebsten gar nicht mehr verlassen würde (ja, Übernachtungspartys sind ein Thema), hat gute Chancen, mit offenen Armen empfangen zu werden. Schwierig werden kann es bei Kritik, sozialer Zurückhaltung (anfangs wird man mit Kennlernterminen überhäuft, im Anschluss ist man auf sich allein gestellt – und es wird auch ganz genau beobachtet, wann man sich mit wem unterhält oder nicht) oder Anflügen von Überforderung; dann ist die Arbeitsatmosphäre schnell gar nicht mehr so carlsenkuschelig und pixibuchartig. Im Büro der Geschäftsführung hängt wie eine Art Motto ein Plakat mit dem Spruch "If you cannot be positive, then at least be quiet" an der Wand, und ich glaube, das sagt nahezu alles über die toxische Positivität aus, die in diesem Unternehmen vorherrscht.
Kommunikation
Auch hier, in meinem speziellen Fall: nicht besonders erfreulich. Es wird viel Kommunikation vorausgesetzt, ohne zu kommunizieren, wie genau diese dann aussehen soll. Neue, vorher nicht abgesprochene Aufgabenfelder, die an das jeweilige Berufsbild "angedockt" werden, tatsächlich aber nur wenig damit zu tun haben, werden einfach zugeteilt und ihre möglichst von Anfang an tadellose Erledigung vorausgesetzt, ohne dass man (ich) dabei ein tatsächliches Mitspracherecht hätte. Kleinste Fehler (z.B. bei Urlaubsanfragen) werden schon in den ersten Tagen nicht wohlwollend auf Wissenslücken zurückgeführt, sondern geahndet, als würden sie aus bösem Willen resultieren, und seitens der Chefetage werden Ferndiagnosen erstellt, die aber nie bei den Mitarbeitenden bzw. mir ankommen (ich bin mir sicher, dass weit mehr über mich gesprochen wurde als mit mir). Dazu passt auch die intransparente Feedbackstruktur, etwa zur Probe-Halbzeit: als gäbe es so etwas wie ein Machtgefälle nicht, sollen Mitarbeiter:in und direkte:r Vorgesetzte:r unabhängig voneinander Feedbackbögen an die Personalabteilung schicken und so Auskunft übereinander erteilen, bevor ein Gespräch stattgefunden hat.
Kollegenzusammenhalt
Unter denen, die sich schon seit Langem kennen und die sich ohnehin in erster Linie für den Verlag und seine Produkte interessieren, sicher sehr gut; mag auch daran liegen, dass die meisten Mitarbeiter:innen im Marketing augenscheinlich "typegecastet" werden und einander in puncto Temperament und Interessensspektrum auffallend ähnlich sind. Wer ausschert, wird nur schwerlich integriert, auch wenn sich Carlsen natürlich grenzenlose Offenheit auf die Fahnen schreibt. Mit zwei Kolleg:innen hatte ich im Nachhinein noch mal gute und offene Gespräche, in denen sich gezeigt hat, dass ich offenbar nicht der einzige bin, der bestimmte Probleme wahrnimmt. Leider kam dieser Austausch ein wenig zu spät. Den freundlichsten und wertschätzendsten Kontakt hatte ich mit Mitarbeiter:innen aus dem Lektorat, es ist also gut möglich, dass all das in erster Linie ein Marketing-Problem ist.
Work-Life-Balance
Die Überstundenregelung ist fair, auch wenn sich nicht wenige damit rühmen, bis in die späten Abendstunden im Verlag zu sein. Es gibt im Wochentakt Spätveranstaltungen und After-Work-Events, was ja ok wäre, wenn man sich nicht gezwungen fühlen würde, daran teilzunehmen. In meinem Fall war die Work-Life-Balance eher schlecht, weil ich all den Druck und die negativen Gefühle regelmäßig mit nach Hause und bis ins Wochenende geschleppt habe.
Vorgesetztenverhalten
Erst überschäumend nett, später reserviert und nicht immer fair (s.o.) Dass die Teamleitung Sleepover-Partys mit den Angestellten plant und teils mehr als Freundin denn als Vorgesetzte erscheinen möchte & die Vorgesetzten die Angestellten in Chatnachrichten gern mal mit "Hasi" und "Schatzi" anreden, fand ich weird, zumal es die angestrebte Durchlässigkeit zwischen Berufs- und Privatleben unterstreicht (dass hinterrücks getuschelt und geurteilt wird, verträgt sich natürlich nicht mit dem kolportierten Wohlfühlunternehmen, was nicht heißt, dass es nicht geschieht). Wenn es um die Arbeitsinhalte geht, wird – wie erwähnt – viel Druck ausgeübt und die Fehlertoleranz tendiert gegen Null.
Interessante Aufgaben
Teilweise schon gegeben, in meinem Fall waren es schlicht zu viele – die im Vorstellungsgespräch erwähnten Aufgaben haben jedenfalls nur einen Bruchteil der tatsächlichen Aufgaben eingenommen, und als ich mich dazu entschied, das anzusprechen, hieß es, wir seien eigentlich erst bei 30%. Sprich: Zumindest für mich war das alles nicht zu schaffen, erst recht nicht, weil parallel zum Arbeitsalltag stets vorausgesetzt wird, dass man seine Stelle "entwickelt", "vorantreibt", "mit neuen Impulsen ausstattet" etc. Der Verlag beschönigt so was als "New-Work-Reformen", in der Realität war es nur eine Menge lähmender Druck.
Gleichberechtigung
Es gibt weit mehr weibliche als männliche Mitarbeitende; Diversity wird als Wert hochgehalten, auch wenn die Anzahl nicht-weißer Angestellter im unteren einstelligen Bereich liegen dürfte. An Menschen mit sichtbarer Behinderung kann ich mich nicht erinnern (dazu bräuchte es wohl auch ein barrierefreies Gebäude), psychische Gesundheit sollte man mitbringen, sonst passt man nicht mehr ins Happiness-Konzept.
Umgang mit älteren Kollegen
Weiß ich nicht, bestimmt gut.
Arbeitsbedingungen
War in einem Großraumbüro, ob man das mag, ist natürlich recht subjektiv (sagen, dass man es nicht mag, sollte man allerdings besser nicht, denn "dass sich alle zurufen und zuwinken können", auch das ist ein integraler New-Work-Wert, der einem besser gefällt). Homeoffice war problemlos möglich, die Technik war auf einem guten Stand – in diesem Bereich ist auch immer mal wieder investiert worden. Es gibt Kaffee und höhenverstellbare Schreibtische.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Der Müll wird getrennt.
Gehalt/Sozialleistungen
Tarifvertrag, zahlreiche Benefits wie z.B. 100% bezuschusstes HVV-Profiticket, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, konnte mich nicht beklagen
Image
Image: offensichtlich hervorragend. Dass es gänzlich mit der Realität übereinstimmt, bezweifle ich. Dafür müsste sich Carlsen allerdings auch einmal mit der Realität auseinandersetzen, anstatt sich einfach permanent selbst zu loben.
Karriere/Weiterbildung
Aufstiegsmöglichkeiten halten sich in Grenzen, es gibt immer mal wieder Workshops und andere Weiterentwicklungsinitiativen.