Potential und ein schöner schwedischer Schein treffen auf „unglückliche“ Führungsentscheidungen
Gut am Arbeitgeber finde ich
Die Kollegen sind wirklich tolle Menschen, mit denen man sehr gerne arbeitet. Auch in den Bereichen Consulting und HR sind die Führungskräfte von erster Güte und ein großer Mehrwert.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Kurzfristige Zahlen stehen über langfristiger und nachhaltiger Entwicklung, starkes Mikromanagement, fehlende Strategie, keine offene Kommunikation und Auseinandersetzung über Probleme, undifferenzierte Kritik, Desinteresse aus Schweden, ideale vorzutäuschen, welche mMn nicht gelebt werden.
Verbesserungsvorschläge
Sich konsequent mit Problemen und Herausforderungen auseinanderzusetzen ist notwendig, besonders bei einer so jungen Kultur. Dieser Verantwortung wird man besonders im Sales Bereich nicht gerecht, sowohl in Deutschland als auch in Schweden. Dadurch, dass man sich einer offenen und tief gehenden Auseinandersetzung entzieht und nur oberflächlich angeht, werden die Probleme immer größer und struktureller. Meiner Auffassung nach ist das Verhalten von einigen Führungskräften, besonders aus Schweden unvereinbar mit der gewünschten Ziel-Kultur. Überflüssiges Mikromanagement sollte durch eine ernsthafte Auseinandersetzung der Herausforderungen ersetzt werden. Dabei sollte Priorität auf eine ernsthafte Sales-Strategie gelegt werden, welche meinem Empfinden nach gänzlich fehlt.
Ob das ganze normale Wachstumsschmerzen einer jungen Kultur sind oder es strukturell an den Führungskräften liegt, lasse ich mal dahingestellt.
Arbeitsatmosphäre
Durch die Remote-Möglichkeit ist das Büro leider sehr leer. Diverse Bemühungen, die Präsenz und dadurch die Arbeitsatmosphäre zu verbessern tragen keine oder sehr wenige Früchte. Ein Großteil der "schwedischen Kultur" basiert auf kleinen Ritualen, welche allerdings durch den Arbeitsalltag nur unregelmäßig gelebt werden und keinen über Bezeichnungen hinausgehenden schwedischen Bezug haben. Gelegentliche Besuche der Geschäftsführung aus Schweden fühlen sich oberflächlich und ehr distanziert an. Gut gemeinte Verbesserungsvorschläge werden mMn oftmals als rechtfertigen wahrgenommen. Das Verhalten der schwedischen Chefs kenne ich so nur aus amerikanischen Großkonzernen.
Kommunikation
Nahezu sämtliche Kommunikation läuft über die Teamleitung, darauf wird sehr viel Wert gelegt. Das Austauschen untereinander im Team wird wie ich empfinde nicht gerne gesehen, es gibt dementsprechend z.B. keine Team-Meetings, die einen Raum zur offenen Kommunikation zulassen. Gut ist, dass unnötige Meetings rar sind, allerdings gilt dies auch für notwenige. Der Austausch mit der schwedischen Geschäftsführung ist zwar "jederzeit möglich", allerdings selten proaktiv und wenn, dann sehr oberflächlich. Ein ernsthaftes Interesse der schwedischen Führungsebene konnte ich persönlich nie wahrnehmen und war rein auf Zahlen fokussiert.
Kollegenzusammenhalt
Die Kollegen sind durch die Bank weg toll und besonders im Sales absolut top. Das Team hat sich allerdings halbiert und steht vor großen Veränderungen.
Work-Life-Balance
Sehr geprägt durch das Vorleben der Führungskräfte. Die Regelarbeitszeit im Vertrieb wurde in der Regel täglich überschritten. In den ersten Monaten gab es im Sales zudem eine Art "On-Boarding-Zeit", in welcher z.B. Home-Office grundsätzlich verboten war, sollte kein wichtiger Grund vorliegen. Diese wurde mir vorher nicht kommuniziert und kam mMn für alle im Team überraschend. Die Führungskraft hat sich oftmals und regelmäßig aus dem Urlaub eingeklinkt und war sehr präsent.
Verschiedene Sportangebote sind nur sehr wenig und unregelmäßig zustande gekommen, da die Verantwortung diese zu organisieren und umzusetzen nur schwer mit der täglichen Arbeitslast in Verbindung zu bringen war. In den letzten Wochen wurde es etwas mehr und besser.
Gelegentlich gab es "Team-Events", bei welchen man den gesamten Abend im Büro verbracht und essen bestellt hat. Das Problem: Jeder dieser Abende wurde mit Arbeit verbunden. Dort hatte ich persönlich den Eindruck, dass aufgestaute Arbeitslast abgearbeitet werden soll (z.B. Kundenlisten in Excel pflegen) und weniger der Teamgedanke Treiber war.
Die allgemeinen Firmenabende waren immer freiwillig und sinnvoll (Kulturworkshops).
Vorgesetztenverhalten
MMn das große Problem bei Consid. Es gibt zwei Seiten: Auf der einen Seite Vorgesetzte, die sehr gut sind und den Laden zusammenhalten. Diese sind allerdings wenig im Sales eingebunden. Auf der anderen Seite gibt es Vorgesetzte, die der Grund sind, weshalb mMn nie ein echtes angenehmes und wohlfühlendes Arbeitsklima, geschweige denn die "schwedische" Leitkultur entstehen kann.
Auf deutscher Seite herrscht ein mMn starkes narzisstisches Verhalten. Es gibt ein extremes Mikromanagement, besonders in der "On-Boarding-Zeit", was über alles sinnenhafte hinausgeht. Einige Bsp: Der Tag beginnt mit einem "Daily", in welchem jeder MA genau aufzählen soll, was er den Tag über macht. Die Führungskraft möchte in den ersten Monaten in sämtlichen Kundenmeetings dabei sein und ist darin auch überaus präsent. Kommunikation über Sales-Themen läuft ausschließlich über die Führungskraft und wird mMn vom Team ferngehalten. Eigenentscheidungen sind nur schwer möglich. Meiner Auffassung nach gibt es eine Atmosphäre die geprägt von Überwachung ist. Eine ernstzunehmende Sales-Strategie gibt es mMn überhaupt nicht.
Die schwedische Führung interessiert sich überhaupt nicht für Themen außerhalb von Zahlen.
Interessante Aufgaben
Eingestellt wurde ich unter der Aussage, dass vor allem Bestandskunden in Deutschland ausgebaut oder Bestandskunden aus Schweden rübergeholt werden sollen. Die Realität war dann komplett anders: Es gibt eine bestimmte Anzahl an Meetings, welche täglich gebucht werden müssen, dies wird auch in Tools akribisch gepflegt und mit allen anderen in "Sales Challenges" verglichen.
Hauptsächlich bestand der Arbeitsalltag aus Kaltakquise über das Telefon. Also stundenlang Excellisten abtelefonieren und Meetings buchen. Der Weg über das Telefon wurde mMn auch klar vorgelebt, andere Methoden über z.B. LinkedIn oder Messen wurde weniger gern gesehen.
Da der Druck groß ist, die Consultants an Kunden zu bringen, lag der Fokus mMn auf "reinsellen", also kurzfristig Projekte zu gewinnen. Der langfristige und nachhaltige Kundenaufbau, bei dem nicht sofort etwas rauskommt, aber wenn dann umso nachhaltiger und gezielter, war aus Sicht der schwedischen Führungsebene zu langwierig. Aus Schweden gab es meiner Auffassung nach keinerlei Gefühl und Interesse für den deutschen Markt und dessen Eigenheiten und Herausforderungen. Was in Schweden funktioniert hat auch in Deutschland zu funktionieren.
Gleichberechtigung
Es gibt keine Benachteiligung, alle sind gleichberechtigt, allerdings ist der Männerüberschuss schon sehr stark, weshalb eine echte Vielfalt nicht da ist. Nach außen hin wird viel Aufwand betrieben das zu kaschieren.
Arbeitsbedingungen
Das Büro ist sehr schön gelegen und auch geschmackvoll eingerichtet. Ein Ort der Eindruck macht. Die Standards wie Obst und Kaffee sind gegeben.
Im Sales hatten wir in den ersten Monaten kein Diensthandy und mussten deshalb mit den privaten telefonieren. Als irgendwann neue und gute Bildschirme bestellt wurden, wurden diese zuerst für die Consultants vorgesehen, obwohl diese selten in den Büros waren und die meisten nach Wochen noch ungenutzt rumstanden. Erst nach mehrmaligen Anmerken, durften auch im Sales diese Bildschirme genutzt werden.
Das genutzte CRM Tool ist mMn rückständig und wenig hilfreich, verkommt ehr zur Pflicht.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Umwelt:
Die Bemühungen umweltbewusst zu handeln sind meiner Auffassung nach sehr rar und oberflächlich. Zu einem zweitägigen Galadinner in Schweden sind wir fast alle geflogen, obwohl die Strecke mit dem Auto auch kein Problem gewesen wäre. Ein besonderer Umweltfokus beim Einkauf der Lebensmittel oder Ausstattung ist mMn auch wenn überhaupt zweitrangig.
Sozial:
Bei der Auswahl der Kunden und Partnern habe ich persönlich nie eine kritische oder moralische Auseinandersetzung erlebt. Business first, auch bei sehr fragwürdigen Unternehmen und Branchen.
Gehalt/Sozialleistungen
Mein Gehalt war sehr gut, ein Jobticket gab es ebenfalls. BAV oder VWL sind mir zumindest nicht bekannt. Die Dienstwagenregelung ist mMn sehr teuer, allerdings auch flexibel kündbar.
Image
In Schweden ist Consid ein großer und bekannter Name, in Deutschland allerdings noch recht unbekannt.
Geworben wird intern und vor Kunden mit einer positiven schwedischen Unternehmenskultur, einem Unternehmen welches ganz besonders Wert auf die Mitarbeiter legt, was allerdings stark von der Realität im Sales abweicht. Consid in Deutschland ist sehr geprägt von der Kultur der Unternehmen, von den am meisten abgeworben wurde.
Karriere/Weiterbildung
Der Karriereweg ist mMn halbgar ausgearbeitet und wenig mit tatsächlichen Veränderungen der Tätigkeit verbunden. Ich habe nicht verstanden was sich durch einen neuen Titel faktisch an der Rolle ändern würde. Eine gemeinsame Zielvereinbarung wurde mir nie explizit mitgeteilt. Weiterbildung ist mir nicht bekannt.