Wäre gerne ein agiles Unternehmen, gibt sich aber nicht genügend Mühe
Gut am Arbeitgeber finde ich
Der Kollegenzusammenhalt und die Menschen allgemein sind wirklich gut, ich durfte sehr viele nette und talentierte Menschen in der DATEV kennenlernen, mit denen ich auch nach meinem Weggang noch in Kontakt stehe.
Für alle, die keine Softwareentwickler sind, ein idealer Arbeitgeber.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Unter die o.g. Probleme der Developer Experience fallen
- die virtuelle Arbeitsumgebung (VDI), auf der jeder Entwickler gezwungen ist, per Remote-Verbindung zu arbeiten, obwohl ihm ein 2000€ high-end laptop zur Verfügung gestellt wird. Arbeiten ohne Internetverbindung oder bei Störungen im privaten Netzwerk ist damit unmöglich, Performance ist unterirdisch, und auf den Umgebungen selbst ist man massiv eingeschränkt was Tooling etc. angeht.
- Apropos Tooling. Der an Paranoia grenzende Fokus auf Sicherheit und Datenschutz erlaubt es dem normalsterblichen Mitarbeiter leider nicht, einfach kostenlose oder Open-Source-Software über vorhandene Package-Manager installieren. Stattdessen muss ein bürokratischer Prozess angeworfen werden, der dann dem ersten Mitarbeiter, der ein Tool braucht, die Verantwortung für dieses aufbrummt. Er muss dann sicherstellen, dass jeder andere Mitarbeiter im Unternehmen das Tool auch den Vorgaben konform benutzt.
- Diverse Infrastruktur-Abteilungen (Jenkins, Cloud-Platform, Entwicklertools, etc.) sehen ihre täglichen Aufgaben eher darin, möglichst busy zu wirken, anstatt die Probleme ihrer Nutzer (d.h. Softwareentwickler) tatsächlich zu lösen. Gerne macht man hier auch breaking changes, ohne diese mit angemessener Deadline zu kommunizieren, und legt damit die halbe Entwicklungsabteilung für einen vormittag lahm (wenn man glück hat).
- Die IT-Security-Abteilung positioniert sich nach außen hin ähnlich überarbeitet, findet dann aber doch die Zeit, Tools die bisher wunderbar funktioniert haben, kaputtzukonfigurieren und auf Nachfrage dann dreist zu kommunizieren "ja das wollten wir eh abkündigen demnächst". Zudem gibt es viele, sehr generische Sicherheitsvorgaben, die ohne Rücksicht auf den Kontext global anzuwenden sind. Bei Hinterfragen oder guten Begründungen, die eine Nichterfüllung erkären würden, rennt man den zuständigen Leuten monatelang hinterher, bis man eine Klärung erwirken kann.
Generell fühlt man sich als Softwareentwickler in diesem Softwareunternehmen (!) leider oft als Mitarbeiter zweiter Klasse. Daher kann ich DATEV an Softwareentwickler leider nicht empfehlen. Da die Mehrzahl der MAs Softwareentwickler sein sollten, gibt das ein "Nein" weiter unten.
Verbesserungsvorschläge
Ihr solltet die gewünschte agile Kultur auch mal vorleben. Die 6-Stufige Führunshierarchie verschlanken und die PO- und Scrummaster-Positionen auf höheren Ebenen aktiv hinterfragen. Hier auch mal die Leistung der FKs prüfen und ggf. die Stellen anders besetzen.
Auf die Probleme der Mitarbeiter hören und eingehen, anstatt Ausflüchte zu finden oder nur zu sagen "ja, ich kann dich verstehen, aber leider können wir das nicht ändern".
Ganz wichtig wäre auch: Bürokratie abbauen. Es dauert Monate, bis für einen neuen Mitarbeiter alle notwendigen Accounts beantragt und Tools bestellt sind. Das muss schneller gehen.
In Austrittsgesprächen vielleicht nicht nur die Mitarbeiter fragen, woran es gelegen hat, sondern das dann auch aufarbeiten. Mir wurde von HR gesagt "oh, für die Gründe 'schlechte Developer Experience' und 'schlechte interne Kommunikation' haben wir hier keine Auswahl in dem Dropdown und kein Freitextfeld". Impliziert wurde dann, dass die Gründe für meinen Austritt nicht erfasst wurden. Wofür gebe ich euch eigentlich konstruktive Kritik?
Kurz gesagt: Weniger reden, mehr machen.
Kommunikation
Hier kommt es stark darauf an, mit wem in der Firma man kommuniziert. An vielen Stellen funktioniert die Kommunikation echt gut. Leider gibt es auch umso mehr Stellen, wo A gesagt, im Hintergrund dann aber B gemacht wird.
Wenn man von anderen Teams abhängig ist, kann man generell immer mal eine Woche Kommunikationsdelay einberechnen. Im Worst Case muss man sogar mit der eigenen Führungskraft kommen, nur damit die Kollegen ihren Job machen.
Kollegenzusammenhalt
Kollegenzusammenhalt ist in den Teams, in denen ich unterwegs war, immer super. Die Firmenevents steigern dieses Zusammenhaltsgefühl.
Work-Life-Balance
Wer will, kann hier wirklich ne ruhige Kugel schieben, für die Workaholics gibt's dann halt umso mehr zu tun - aber es gibt bis auf gesetzliche Termine keine echten Deadlines für irgendwas, dadurch hält sich Stress auf einem Minimum, außer man macht ihn sich selbst.
Vorgesetztenverhalten
2 Sterne, da meine direkte Führungskraft wirklich spitze war, ansonsten muss ich leider sagen, dass man einen großen Teil der Arbeit des Managements mit einer Themaverfehlung bewerten könnte. Von Experimenten wie "irgendwie läufts noch nicht so ganz in die Richtung, die wir strategisch vorgeben, lasst mal allen Mitarbeitern ein 2h Meeting aufzwingend, um ihnen die Strategie nochmal zu erklären, anstatt nachzufragen, was uns eigentlich aufhält", Vorgesetzten, die das ihnen zugestandene Budget lieber am Ende des Jahres möglichst vollzählig in den "Topf" zurückgeben, anstatt es für Teambuilding-Veranstaltungen o.Ä. auszugeben, bis hin zu Führungskräften im Agilen Tridem, die ihre Aufgabe darin sehen, die Mitarbeiter selbst gegen die Wand laufen zu lassen, nur um dann mit einem "ja das wollte ich schon länger mal ansprechen" nachzutretem, anstatt sie aktiv und präventiv auf Probleme anzusprechen oder zu helfen zu versuchen.
Interessante Aufgaben
Viel steuerliche Fachlichkeit natürlich, das muss man abkönnen, aber tatsächlich auch einige spannende, sehr technische Herausforderungen. Interne Wechsel zwischen verschiedensten Teams sind relativ einfach möglich, so dass man das Gebiet wechseln kann, wenn man etwas neues braucht.
Gleichberechtigung
Man gibt sich ehrlich Mühe, ich bin in meiner Zeit hier kein Zeuge von Diskriminierung geworden. Ein paar schwarze Schafe gibt es natürlich immer. Böse Zungen könnten behaupten, dass für die Position "Management Assistant" primär junge, attrative Frauen ausgewählt werden.
Umgang mit älteren Kollegen
Fast schon zu gut. Wer keine Lust mehr hat, auf die letzten Paar Jahre vor der Rente noch etwas neues zu lernen, der wird nicht gezwungen.
DATEV ist der ideale Arbeitgeber, um vor der Rente noch etwas zu chillen. Je mehr Jahre man abgesessen hat, desto höher ist idR. auch das Gehalt, da in festgelegten Zeitintervallen Gehaltserhöhungen geben muss (5 bzw. 8 Jahre auf derselben Stelle).
Fairerweise muss man auch sagen, dass viele Kolleg:innen der älterne Semester durchaus lernbereit und -begeistert sind.
Arbeitsbedingungen
Arbeitsgeräte, Hardware, Bürostandorte, Kantine, usw. alles tiptop. In den Büros würde man sich nur manchmal wünschen, dass die Kollegen, die viel telefonieren, dies nicht im Großraumbüro täten.
Über die Arbeitsumgebungen der Softwareentwickler kann ich leider nichts positives sagen. Es gibt einen internen Tracker mit "globalen Impediments", also Problemen, die große Teile der Entwickler des Unternehmens bei der täglichen Arbeit behindern. Zur Zeit meines Weggangs waren dort 4+ Themen seit 2 Jahren (!) offen und ohne sichtbaren Fortschritt unterwegs, die täglich Zeit gekostet haben. Da das Textfeld an der Stelle zu kurz ist, führe ich das unten unter "schlecht am Arbeitgeber finde ich" fort.
Gehalt/Sozialleistungen
Durchschnittliches Branchengehalt. Das System für Gehaltserhöhungen ist allerdings an vielen Stellen problematisch (als Problem ist das auch bekannt, und es wird angeblich seit Jahren daran gearbeitet). Das Budget für Gehaltserhöhungen kommt je Team aus einem Topf, was es in Teams mit vielen High-Performern schwierig macht, die Mitarbeiter ihrer Leistung gerecht zu belohnen.
Hinzu kommt, dass für die Übernahme zusätzlicher Verantwortung grundsätzlich erst einmal keine Gehaltserhöhungen vorgesehen sind, außer es handelt sich um Personalverantwortung. Auch als PO muss man sich idR. erst einmal 1-2 Jahre beweisen, bevor man hochgestuft wird. Für Erhöhungen an sich gibt es nur einen festgelegten Spielraum von 0-4%, und für die 4% muss man schon kämpfen.
Das ganze System ist in Stufen (VG) eingeteilt. Das Problem ist nur, dass diese Einteilung nicht an den Anforderungen an der Stelle hängt, sondern an der Bezahlung des Mitarbeiters. Man kann ausgelernte Azubis auf eine VG6 Stelle einstellen, ihnen dann aber nur VG4 zahlen, usw. Eine Stufe aufzusteigen ist enorm schwierig und klappt am öfter durch langes Warten als durch reine Leistung.
Image
Man wäre gerne ein modernes, agiles Unternehmen und investiert dafür auch viel in interne und externe PR, lebt dann hinter verschlossener Tür trotzdem noch eine extrem bürokratische, langsam denkende Unternehmenskultur vor. Durch die unteren 3 Hierarchiestufen hindurch wird "Scrum" praktiziert, was bedeutet, dass es auf der dritten Ebene oben halt auch Scrum-Master und Super-POs gibt, wo man sich schon manchmal fragt, was deren Aufgaben eigentlich sind.
Karriere/Weiterbildung
Es ist relativ einfach, sich als Werkstudent in eine Festanstellung übernehmen zu lassen.
Einzige nennenswerte Karrieremöglichkeit ist Führungskraft werden. Wer das nicht will, kommt irgendwann nicht mehr vorwärts, auch gehaltlich.
Das interne Weiterbildungsangebot ist für Berufseinsteiger echt gut - leider gibt es in technischen Themen nicht besonders viel Angebote, die über die absoluten Basics (z.B. Grundlagen in Angular) hinausgehen.
Die Qualifizierung für spezielle Jobrollen sehen auch eher so aus, dass man 3-4 Tage Schulung macht und dann auf die Aufgaben losgelassen wird.
Externe Weiterbildungen sind auch möglich und werden theoretisch von der Firma übernommen - hierzu habe ich allerdings leider mitbekommen, dass es ein ziemliches Heckmeck wegen dem Budget geben kann. Schade, wenn die Mitarbeiter von sich aus lernen wollen, und auf dem Papier genug Geld da wäre, es aber dann trotzdem erst mehrere Monate diskutiert werden muss.