"Ein Erfahrungsbericht nach fünf Monaten bei Waldorf Frommer (DS II)"
Gut am Arbeitgeber finde ich
Zusammenhalt in den einzelnen Büros, Vertrauensarbeitszeit, Geselligkeiten (Kanzleiwies’n, Kanzleigrillen etc.), Duzkultur, Kanzlei-Mittagsessen in regelmäßigen Abständen, Obst und Brot zur Verfügung gestellt, Mineralwasser kostenlos zur freien Verfügung, es gibt in begrenzter Anzahl Parkplätze in der Tiefgarage
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Gehalt in meiner Wahrnehmung deutlich zu niedrig (die feeling-good-benefits gleichen dies keinesfalls aus); in meinem Empfinden keine wirkliche Feedbackkultur vorhanden, Kommunikationsstruktur ist ausbaufähig und Wertschätzung habe ich nicht als durchgehend gegeben empfunden, wenn man nicht nur die Worte und Versprechungen, sondern auch die Taten und tatsächlichen Verhältnisse mit in die Kalkulation nimmt
Verbesserungsvorschläge
Die Fähigkeit, Aufgaben abgeben zu können, nicht alles selbst und manchmal auch doppelt und dreifach machen bzw. kontrollieren zu wollen, hat etwas mit Vertrauen und letztlich auch mit Respekt vor den Qualifikationen der Mitarbeiter zu tun. Selbst Mitarbeiter, die keine Volljuristen sind, oftmals aber auch über eine akademische Ausbildung verfügen, können wertvolle Beiträge leisten, die es nur abzuholen gilt. Etwas mehr Frustrationstoleranz bei berechtigter Kritik wäre ebenso hilfreich, um einer offenen Feedbackkultur noch mehr Raum zu verschaffen. Wertschätzung sollte sich zudem auch im Lohn ausdrücken.
Arbeitsatmosphäre
Der Aspekt der Arbeitsatmosphäre ist unter dem Gesichtspunkt der fachlichen Zusammenarbeit mit Abstand eine der positiveren Erfahrungen, sofern man diese Betrachtungen auf einzelne Bürogemeinschaften begrenzt. Darüber hinaus wird es schon etwas komplizierter. Da kann auch die dem Grunde nach positiv zu betrachtende Duzkultur über alle Hierarchien hinweg nicht helfen. Es war in meiner Wahrnehmung schon sehr klar und deutlich im Haus, wer die Postulationsfähigkeit vor dem Landgericht hat und was es hinsichtlich der Wertschätzung gegenüber einem Mitarbeiter im Einzelfall bedeuten kann, wenn diese fehlt.
Kommunikation
Kommunikation findet nach meinem Empfinden viel zu wenig statt. Punkt. Meine Kollegen erfuhren von meiner Einstellung einen Arbeitstag vor Arbeitsbeginn und auch nur dadurch, weil das OfficeManagement eine Zimmerpflanze auf den Schreibtisch stellte. Auf diesem Niveau kann man sich die Kommunikation durchgehend vorstellen. Es regierte in meiner Wahrnehmung zuallererst und über allem der Flurfunk. Es gab durchaus auch Abteilungsmeetings, die sich für mich aber mehr als Monologe ohne Punkt und Komma herausstellten und letztlich oftmals eher den Charakter eines Motivationsseminars in sich trugen. Dieses Unternehmen benötigt nach meinem Dafürhalten ein wirklich gutes und anfangs auch frustrationstolerantes, am besten auf Härtefälle spezialisiertes Kommunikationstrainingsunternehmen.
Kollegenzusammenhalt
Dem Grunde nach sehr gut, vor allem in den einzelnen Büros. Die überdurchschnittlich ausgeprägte Flurfunkproblematik ist allerdings ein wenig angenehmer Begleitumstand. Meines Eindrucks folgend lassen sich manche Vorgesetzte zu sehr von diesen Hörensagen des Flurfunks beeinflussen, was auf mich wenig professionell wirkte.
Work-Life-Balance
Es wird mit dem Modell der Vertrauensarbeitszeit gearbeitet, was durchaus zu begrüßen ist. Manche Mitarbeiter haben Home-Office-Optionen. Die Work-Life-Balance war für mich selbst während der Arbeitszeit sehr tendenziell in die eine oder andere Richtung. In den wenigen Monaten bei Waldorf Frommer war es gefühlt mehr Life als Work, an manchen Tagen war auch nur Arbeit für 25 Minuten da und der Rest des Tages war geprägt von der verzweifelten Suche nach sinnvoller und produktiver Beschäftigung. Gerüchteweise soll es auch andere Zeiten geben, ich selbst habe sie nicht erlebt. Wenn man damit umgehen kann und die Motivation zum morgendlichen Aufstehen findet, obwohl man weiß, dass man sich mit mehreren Kollegen die Arbeit von eigentlich einer Stelle teilt, dann ist man bei Waldorf Frommer sicher nicht am falschesten Platz. Mir hat diese überwiegende Nichtbeschäftigung mehr Stress bereitet und zu unterschwelliger Unzufriedenheit geführt, was neben dem monetären Aspekt mit einer der Hauptgründe für meine Kündigung noch innerhalb der Probezeit war.
Vorgesetztenverhalten
Das Verhalten meines Vorgesetzten war in meiner Wahrnehmung dies, dass ich am ersten Arbeitstag im Büroraum des Untergeschosses abgegeben wurde und seitdem war mein Vorgesetzter dort nicht mehr oft gesehen. Die „Ankündigung“ als stetige symbolische Karotte, die man dem beispielhaften Esel vor die Nase hält, damit er weiterläuft, war in meinem Empfinden das einzige wirklich zuverlässige Verhalten, auf welches man vertrauensvoll setzen konnte. Freundlichkeit und Augenhöhe, beides durchaus stets vorhanden, ersetzen leider keine Mitarbeiterführungskompetenz.
Interessante Aufgaben
Das ist eine der beiden großen Achillesfersen der Kanzlei. Aus Effizienzgesichtspunkten ist diese Form der Automatisierung sowie der Fließbandorganisation der Arbeitsprozesse nachvollziehbar. Dies geschieht aber eindeutig zu Lasten der Arbeitsplatzattraktivität. Dem Grunde nach führt man die stets gleichen, durchgehend sehr monotonen Arbeitsschritte aus und wiederholt und wiederholt und wiederholt. Kreativität, Prozessdenken, Handlungs- und Entscheidungskompetenzen, all diese Eigenschaften konnte ich innerhalb der dortigen Arbeitsstruktur nicht weiterentwickeln.. Dies führte bei mir unterschwellig zu einer sich aufbauenden Unzufriedenheit. Dem kommt m. E. überflüssigerweise noch hinzu, dass man für trivialste Tätigkeiten, die wirklich fast jeder auch ohne jegliche Berufsausbildung ausführen könnte, teils auch akademisch ausgebildetes Personal einstellt. So kommt es dann, dass beispielsweise Wirtschaftsjuristen den Postausgang erledigten und 60-80% ihrer Arbeitszeit mit Briefe falten und verpacken verbrachten.
Gleichberechtigung
Hinsichtlich der Gleichberechtigung wird darauf durchaus geachtet. Ein positiver Aspekt im Unternehmen. Übertriebener Ellbogeneinsatz wird nicht belohnt.
Umgang mit älteren Kollegen
Auch in diesem, keinen kostenverursachenden Aspekt ist man großzügig und unauffällig.
Arbeitsbedingungen
Das Unternehmen bewirbt sich selbst als LegalTech-Unternehmen. Von Hightech stand da zugegeben nichts und so ist es dann leider auch. Man starrt auf zwei kleine 4:3-Monitore. Den Ausführungen anderer Kommentatoren hinsichtlich Technik und Ausstattung ist nichts hinzuzufügen. Im Untergeschoss ist es durchaus erträglich, selbst im Sommer. Alles darüber grillt regelrecht, es sind nicht in allen Büroräumen Klimaanlagen vorhanden. Auf allen Stockwerken sind allerdings Küchen vorhanden, die ausreichend ausgestattet sind. Der Garten ist zudem ein durchaus angenehmer Treffpunkt und wird zu gelegentlichen Festivitäten genutzt.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Papier wird von Restmüll getrennt.
Gehalt/Sozialleistungen
Bei meinem Folgearbeitgeber verdiene ich nun bei gleicher Wochenstundenzahl und gleichgebliebener Qualifikation brutto 50% mehr. Urlaubs- und Weihnachtsgeld wurde mir bei Waldorf Frommer nicht angeboten, ebenso wenig wie ein Fahrtkostenzuschuss. Mein Gehalt bei Waldorf Frommer war in meinem Empfinden deutlich zu niedrig. Es drängt sich freilich die berechtigte Frage auf, warum man sich auf so ein Vertragsverhältnis dann einlässt, weil man schließlich auch vorher weiß, was man unterschreibt. Das lag in meinem Fall an dem im Nachgang von mir nun so empfundenen ungemein blumigen Vorstellungsgespräch, welches mich in dem Eindruck ließ, den Verlust beim Verdienst als Opportunitätskosten erstmal hinzunehmen, weil man im Gegenzug dafür mit „persönlichen Mentoring“ usw. fachlich enorm weitergebracht wird. Dem war in meinem Empfinden dann im Beschäftigungsverhältnis leider nicht mal ansatzweise so, weswegen meinerseits sehr schnell, noch innerhalb der Probezeit, die Reissleine gezogen werden musste. Ausnahme: Briefe falten und verpacken. Das kann ich als Wirtschaftsjurist in der Tat nun deutlich besser und schneller.
Image
Umständehalber hat Waldorf Frommer vermutlich wohl kein sonderlich positives Image.
Karriere/Weiterbildung
Hinsichtlich einer Karriere ist nach meinem Eindruck wenig Luft vorhanden. Man denkt sich, neuerdings englischsprachig, schöne Titel aus und vergibt diese dann wohl auch hin und wieder, vielleicht begleitet von einem finanziellen Obolus, der eher als nette Geste denn als ernstzunehmende Beförderungswirkung verstanden werden könnte.