Lieber als exzellente Zeitarbeitsfirma betrachten
Gut am Arbeitgeber finde ich
Es empfiehlt sich, IAV lieber als exzellente Zeitarbeitsfirma zu betrachten als als absteigenden Ingenieursdienstleister. Daher ist IAV sehr gut für Praktika, Masterarbeiten und für die ersten Jahre nach der Uni. Danach aber zügig wechseln, wann man eine fachliche Karriere anstrebt.
Arbeitsatmosphäre
Aufgrund der wirtschaftlichen Turbulenzen in den letzten Jahren (Dieselskandal, Corona, schlechtes China-Geschäft vom Hauptkunden) hatten ich und viele andere das Gefühl, dass es stetig bergab geht. Es wurde in der Belegschaft viel von "den guten alten Zeiten vor Corona, als noch Geld da war" geschwärmt. Meine Abteilung hat nach und nach immer weniger Mittel gehabt, um interessante Ideen anzugehen, so dass die Arbeit immer weniger Spaß gemacht hat.
Kommunikation
Die Kommunikationsprozesse sind stark durchstrukturiert, es finden planmäßige Gesprächsrunden aller Art statt, die dafür sorgen, dass die wichtigsten Informationen an der richtigen Stelle ankommen. Aufgrund des unsicheren wirtschaftlichen Umfelds in den letzten 4 Jahren war oft nicht klar, wohin die Reise geht. Hier hätte bessere Kommunikation auch nichts genützt.
Weil IAV projektgetrieben ist, darf nicht viel Wissen über Projektgrenzen geteilt werden und es besteht eine Silostruktur. IAV gibt sich Mühe, die Silostruktur abzubauen.
Kollegenzusammenhalt
Kurz: auf den unteren Ebenen super, mit steigender Führungsebene wird es hässlicher. Meine Kollegen bei IAV sind großartig und der Zusammenhalt war super. Leider verhindert die Projektstruktur die Zusammenarbeit, weil die hilfsbereiten Kollegen über längere Zeit am Limit in ihrem jeweiligen Projekt eingesetzt sind. Es kam vor, dass eine Führungskraft interveniert hat, als sie rausbekommen hat, dass einer seiner Mitarbeiter in einem anderen Projekt eine Stunde geholfen hat. Parallel dazu sitzen andere höchstqualifizierte Kollegen untätig ohne Projekt herum und sind in der Firma unbekannt, so dass ihre Fähigkeiten nicht genutzt werden. Das ist für alle sehr frustrierend und eine massive Potentialverschwendung, die sich in dieser Extremform nur die reiche deutsche Automobilbranche leisten kann.
Work-Life-Balance
Wenn man einen gewissen Anspruch hat und es das Kundenprojekt hergibt, waren Überstunden nötig, um das Projekt zum Erfolg zu bringen. Ich konnte mir relativ frei Urlaub nehmen, wann ich wollte.
Vorgesetztenverhalten
Meine direkten Vorgesetzten waren vorbildliche, empathische Führungskräfte. Aufgrund der Projektstruktur haben die Vorgesetzten aber nicht viel zu sagen, und der Kunde entscheidet viel. Meine Vorgesetzten konnten vorzüglich in diesem Feld navigieren und ihre Mitarbeiter entsprechend ihrer Stärken vermitteln (in den sehr engen von den Projekten gesetzten Rahmen) und eine angemessene Work-Life-Balance ihrer Mitarbeiter sicherstellen. Dies ist eine große Stärke von IAV! Daher eher IAV als exzellente Zeitarbeitsfirma betrachten.
Interessante Aufgaben
Hängt sehr stark vom Projekt ab. Bei IAV ist man in einer schwierigen (herausfordernden?) Situation. Einerseits möchte IAV Premium-Dienstleister sein, mit eigener Forschung und den Kunden innovative Lösungen anbieten. Dazu müsste man theoretisch in Vorleistung gehen, praktisch ist aber IAV sehr risikoavers. IAV versucht in sehr viele Richtungen an der Spitze mit dabei zu sein, was eher dazu führt, dass man sich verzettelt. Man kann als Mitarbeiter dabei eine große Vielfalt von Technologien kennenlernen - Interesse (auch evtl. außerhalb der Arbeitszeit) vorausgesetzt. Auf der anderen Seite hat aber der Kunde das letzte Wort und IAV muss je nach wirtschaftlicher Lage auch die dümmsten Projekte annehmen - so dass Banales und höchst Interessantes parallel betrieben werden. Wenn ein Kunde abspringt, kann ein höchst innovatives Projekt auch mal über Nacht eingestellt werden. Die Kombination von dem Ganzen kann viel Kopfschmerzen bescheren, es ist aber auch eine Lebensschule. Daher würde ich IAV nur als ersten Arbeitgeber nach der Uni oder während des Studiums empfehlen.
Arbeitsbedingungen
Ich und meine Kollegen in der Abteilung hatte so gut wie keine Reisetätigkeit und konnten alle Kundenprojekte vom Berliner IAV-Standort oder Gifhorner Standort bearbeiten. Bürogrößen sind verschieden, es gab zu meiner Zeit Großraumbüros, in denen 10+ Mitarbeiter in jeweils anderen Telefonkonferenzen hingen. Weil viele im home office waren, ließ es sich aushalten. IAV stellt gute Headsets mit noise cancelling. Ja nach Bereich gibt es aber auch kleinere Büros für ca. 5 MA. Eine verbesserte Regelung mit Desk-Sharing und neuem Raumkonzept war Ende 2023 in Arbeit.
Die Arbeitslaptops waren gut ausgestattet und IAV verfügt über eine leistungsfähige und innovative IT.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Umweltbewusstsein besteht, insofern es den Projekten dient und finanziell etwas bringt. In der Automobilbranche ist ja alles gesetzlich geregelt, was Emissionen angeht. Nach dem Dieselskandal wurde die gesamte Belegschaft ordentlich eingenordet, auf gesetzliche Vorgaben zu achten.
Gehalt/Sozialleistungen
Gehalt ist für Berlin sehr gut. Überstunden werden vergütet. Wieviele Überstunden man machen kann/muss, ist von Bereich zu Bereich verschieden und hängt vom aktuellen Kundenprojekt ab.
Karriere/Weiterbildung
Als Dienstleister bedeutet Erfolg, möglichst viele Mitarbeiter in Kundenprojekten unterzubringen. Ergebnisse sind dabei wichtig aber zweitrangig. Daher kann man sich schwer mit technischen Ergebnissen verdient machen und eine fachliche Karriere ist äußert schwierig. Auf der anderen Seite helfen alle Softskills, die bei der Verhandlung mit den Kunden und der Mitarbeiterführung dienen dem Unternehmen und man kann damit Karriere machen. IAV bietet Fortbildungen in diese Richtung und entsprechende Karrierepfade an. Der fachliche Karrierepfad erschien mir unbeliebt. Dies einmal bei IAV zu erleben, kann ein erhellender Schock für alle reinen Techniker sein.