Das “Amt für Schrauben” auf dem absteigenden Ast
Gut am Arbeitgeber finde ich
Die neue Kantine ist lecker und das Büro in Eschborn ist ein guter und moderner Arbeitsplatz geworden.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Man hat sich lange auf den Erfolgen der Vergangenheit und dem vermeintlich sicheren Platz in der Automobilindustrie ausgeruht. Aber der Wandel zur Elektromobilität wurde, wie bei vielen deutschen Unternehmen, verschlafen. Und jetzt sinken die Umsätze, da Elektroautos weniger Schrauben mit oft geringeren Anforderungen benötigen.
Die vielen Sparrunden der letzten Jahre haben das Unternehmen erstarren lassen. Jede Runde lässt immer nur die Mitarbeiter übrig, die man für das aktuelle Tagesgeschäft benötigt. Und dann wundern sich alle, warum keiner mehr da ist, mit dem Änderungen umgesetzt werden können. Dazu hat dies die Mitarbeiter zu einer extremen Abneigung gegen Neuerungen aller Art erzogen.
Die Firma ist zudem wesentlich hemdsärmeliger unterwegs, als gut für sie ist. Probleme werden grundsätzlich nur mit Klebeband “repariert” und nicht gelöst. Mal 5 Minuten nachzudenken, ob es eine bessere Lösung gibt, findet im Normalfall nicht statt. Stattdessen werden “pragmatische” Lösungen nach dem Motto “Egal wie, Hauptsache billig!” gefordert.
Verbesserungsvorschläge
Die Firma muss sich entscheiden, was sie sein möchte: kuscheliges Familienunternehmen aus dem Vogelsberg oder globaler Player mit Milliardenumsatz. Für ersteres ist die byzantine Bürokratie viel zu mächtig und hindert die Mitarbeiter daran, zeitgemäß zu arbeiten. Für letzteres sind fast alle Bereiche einfach nicht professionell genug aufgestellt, sowohl was die Prozesse als auch was die Mitarbeiter angeht.
Zudem sollte man endlich mal das Feedback hier auf kununu Ernst nehmen. Die Firma geht gerade durch sehr schwere Zeiten mit voraussichtlich signifikanten Entlassungen. Und kaum droht die Bewertung hier zu fallen, schlagen lauter extrem gute Bewertungen komplett ohne Text auf. Zufall?
Arbeitsatmosphäre
Seit dem Wechsel der Geschäftsführung werden ständig unausgegorene oder halbfertig Pläne über Sparmaßnahmen und Stellenabbau an die Belegschaft kommuniziert. Die entstehende Unsicherheit lähmt das Unternehmen und drückt massiv auf die Stimmung.
Kommunikation
Absolut unterirdisch. Seit die neue Geschäftsführung im Herbst 2023 installiert wurde, wird ein Format nach dem anderen, um die Mitarbeiter auf dem Laufenden zu halten, gestrichen. Nach den virtuellen Town Halls wurde auch die langjährige Mitarbeiterzeitschrift eingestellt und nicht mal mehr digital weitergeführt. Mittlerweile reicht es nicht mal mehr für einen monatlichen Email-Newsletter.
Kollegenzusammenhalt
Den Zusammenhalt muss man differenziert betrachten. Die meisten Teams haben innerhalb einen guten Zusammenhalt und helfen einander aus. Sowie es abteilungsübergreifend wird, wird die Sache deutlich komplizierter. Das einzige Erfolgskriterium scheint zu sein, ob die beiden Leiter miteinander können. So hat man bei Beziehungen zwischen Abteilungen alles von “Ein Herz und eine Seele” (eher selten) bis zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen (erschreckend oft). Eine professionelle Zusammenarbeit, auch wenn man nicht einer Meinung ist, ist leider sehr selten.
Der Umgang ist auch in größeren Runden nicht immer professionell. Forderungen, andere Abteilungen oder Standorte zu schließen, sind bei größeren Versammlungen an der Tagesordnung.
Vorgesetztenverhalten
Es gibt gute Vorgesetzte, die mit viel Einsatz den lustlosen Rest des Laden ausgleichen. Aber die Geschäftsführung lebt leider ihre Werte wie Vertrauen und Geschwindigkeit nicht immer vor und das überträgt sich nach unten.
Gleichberechtigung
Gleichberechtigung ist sehr ähnlich zu einem vergleichbaren Unternehmen derselben Branche. Frauen sind sehr konzentriert in den Personal- und Finanzbereichen.
Umgang mit älteren Kollegen
Ältere Kollegen in der Produktion sind geschätzt. Leider wird ihre Erfahrung zu selten weitergegeben oder konserviert. Im Zweifelsfall gewinnt der Auftrag, der nächste Woche raus muss.
Arbeitsbedingungen
Die meisten Werke sind überaltert. In Maschinen und Gebäude wird immer erst investiert, wenn diese auseinanderfallen oder der Statiker den Zugang untersagt. Für die neue Kantine in Homberg hat man wohl die Planer des Berliner Flughafens engagiert. Statt eines Neubaus oder einer Sanierung gab es mehrere Jahre einen Foodtruck draußen. Ja, auch im Winter.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Umweltbe-was? Die Firma produziert in manchen Schichten mit ihrer ausufernden Zettelwirtschaft mehr Papier als Schrauben.
Gehalt/Sozialleistungen
Die Einstiegsgehälter für junge Mitarbeiter sind relativ gut im Vergleich. Danach wird es aber schnell eher schwierig, da man sich auch für Mitarbeiter, die sich die Branche (Finanzen, IT, …) aussuchen können, ausschließlich an den direkten Wettbewerbern orientiert. Dass nicht jeder im Vogelsberg mit seinen niedrigeren Lebenshaltungskosten wohnen kann oder möchte, scheint noch nicht angekommen.
Beförderungen werden auch gerne “zur Probe” ausgemacht. Wenn man sich dann nach ein paar Monaten bewährt hat, ist aber gerne auch mal kein Geld da und man muss mindestens bis zur Tarifrunde warten.
Image
In der Heimatregion hat man sich durch undurchdachte Schließungen und Stellenstreichungen viele Sympathien verspielt. Bei den Kunden ist die Stimmung neutral bis schwierig.
Karriere/Weiterbildung
Im Prinzip ist vieles möglich. Aber alle Weiterbildungen, welche nicht vorgeschrieben sind, müssen im Jahr vorher in einem aufwändigen Verfahren angemeldet werden.
Karriere kann klappen, da viel Rotation im Personalkarussell vorhanden ist. Aber dazu sollte man am besten unter 40 und männlich sein.