Außen hui, innen pfui
Gut am Arbeitgeber finde ich
Es gibt kostenlosen Kaffee und Tee (falls diese nicht bereits wegrationalisiert worden sind)
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Arbeitsatmosphäre, Kommunikation, Work-Life-Balance, Vorgesetztenverhalten, Umwelt-/Sozialbewusstsein, Gehalt/Sozialleistungen
Verbesserungsvorschläge
- Nein, man kann nicht jede einzelne Nicht-Führungsposition mit Azubis belegen
- Nein, ein Redaktionsmitarbeiter pro Fachzeitschrift ist nicht genug
- Nein, auch in dem schönsten IKEA-Paradies von Büro wollen sich Mitarbeiter nicht 16 Stunden am Tag aufhalten
- Nein, Existenzangst ist keine gute Art der Mitarbeitermotivation
Arbeitsatmosphäre
Die Außenwirkung steht im krassen Kontrast zu der täglichen Realität der Mitarbeiter. Von der Einrichtung des Büros über die Arbeitsmittel bis hin zur Lingo der Geschäftsleitung wird viel Wert auf hippes Start-up-Flair gelegt (nach über 20-jährigem Bestehen des Verlags kaum noch glaubwürdig) doch hinter der modernen, agilen Fassade ist ein knallharter hierarchischer Kern spürbar. Wenn den Mitarbeitern mal Wertschätzung entgegen gebracht wird, dann oft in Form einer "Show" und keineswegs in Form von fairen Arbeitsbedingungen. Abgesehen von diesen vereinzelten Show-Einlagen ist die Arbeitsatmosphäre geprägt von Frust, Überforderung und Aussichtslosigkeit. Die jüngste Kündigungswelle trägt nicht gerade zu einem zuversichtlichen Arbeitsklima bei.
Kommunikation
Trotz eines rege für alles Mögliche genutzten Intranets sind wirklich wichtige Informationen, die man als Entscheidungsgrundlage für die tägliche Arbeit braucht, leider häufig nur übers Pull-Prinzip zu bekommen. Wer informiert bleiben möchte, braucht angesichts der selten greifbaren Ansprechpartner einen langen Atem.
Kollegenzusammenhalt
Den Druck von oben geben viele Mitarbeiter nach allen Seiten weiter, was zu einem oftmals unnötig scharfen Befehlston führt, insbesondere zwischen Anzeigenverkauf und Redaktion. Angesichts dieses Drucks kann man gelegentliche Lästereien nicht einmal wirklich verübeln, sie sind lediglich ein Ventil, um den Frust abzubauen. Die Versuche, sich zumindest räumlich mit Kollegen zusammenzutun, die ähnliche Aufgaben haben und mit denen man sich gut versteht, werden durch die "Reise-nach-Jerusalem"-Sitzordnung im Keim erstickt.
Work-Life-Balance
Die Möglichkeit, per Laptop und Smartphone agil quasi von überall zu arbeiten, steht im Kontrast zur ausgeprägten Präsenzkultur. Wer pünktlich geht (geschweige denn Überstunden durch Freizeit ausgleicht), wird kritisch beäugt. Wer krank wird, wird kritisch beäugt. Wer privaten Terminen nachgehen muss, die sich nicht verschieben lassen, wird kritisch beäugt und angehalten, sie doch zugunsten des Arbeitspensums zu verschieben. Unbezahlte Überstunden gehören ausdrücklich zum guten Ton und werden von den Führungskräften regelrecht eingefordert. Anders ist das Arbeitspensum mit der sehr knapp bemessenen Belegschaft auch kaum zu stemmen - dies legt den Verdacht nahe, die Überstunden seien von vornherein einkalkuliert und nicht bloß schlechtem (Zeit-)Management geschuldet.
Vorgesetztenverhalten
Die Führungskräfte üben einen enormen Druck auf die Belegschaft aus - wünschenswert wäre ein ähnliches Engagement, wenn es um die Schaffung der passenden Ausgangsbedingungen für Erfolg geht, z. B. klare Ziele oder eine Personalplanung, die nicht auf der Annahme basiert, jeder einzelne Mitarbeiter leiste jederzeit 300 % eines normalen Pensums. Auf Nachfragen wegen wichtiger Sachverhalte ist ein "Hab ich vergessen" seitens der Führungskräfte die Standard-Antwort. Das lange Warten auf Feedback, nur um festzustellen, dass man "vergessen" wurde, trägt nicht gerade zum Gefühl bei, als Mitarbeiter wertgeschätzt oder auch nur wahrgenommen zu werden.
Interessante Aufgaben
Es bleibt spannend. Lernen wird man zwangsläufig viel, das Meiste davon auf eigene Faust, denn gestresste Kollegen und überforderte Führungskräfte haben weder Zeit noch Energie für eine strukturierte Einarbeitung. Bereits Auszubildende bekommen Aufgaben übertragen, die in ihrem Anspruch und dem Grad der Verantwortung weder der Arbeitserfahrung noch der Vergütung von Auszubildenden entsprechen (auf die gleichzeitig auch gerne Sekretariats- und Hausmeistertätigkeiten abgewälzt werden).
Gleichberechtigung
Aufgrund der geringen Transparenz lässt sich keine Aussage über einen Gender Pay Gap treffen, die meisten Führungspositionen sind allerdings von Männern besetzt. Zu beobachten ist ein latenter Chauvinismus, der traurigerweise nicht nur von männlichen Kollegen gepflegt wird, sondern auch teilweise von Kolleginnen, die sich ersteren anbiedern wollen.
Umgang mit älteren Kollegen
Nach der letzten Rationalisierungswelle sind kaum noch ältere Kollegen verblieben; de facto besteht der Verlag fast nur noch aus Führungskräften, Volontären und Auszubildenden.
Arbeitsbedingungen
Es ist spürbar, dass bei der Konzeption der Arbeitsmittel und Büroräume größerer Fokus auf die Außenwirkung gelegt worden ist als auf die Mitarbeiter. Das tägliche Wechseln des Arbeitsplatzes verbunden mit einer rigorosen Clean-Desk-Policy verstärkt das Gefühl von Call-Center und Massenabfertigung, das beim Arbeiten schnell entstehen kann.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Keine Nachhaltigkeit, weder im Umgang mit Ressourcen und Mitarbeitern noch in der Zusammenarbeit mit der "Außenwelt". In der Realität ist keinerlei Committment zu den wohlformulierten Unternehmensrichtlinien spürbar.
Gehalt/Sozialleistungen
Auf dem Papier entspricht das Gehalt möglicherweise dem unteren Rand des Branchenstandards. Kalkuliert man jedoch die Überstunden ein, die weder erfasst noch ausgeglichen werden, sinkt der tatsächliche Stundenlohn rapide. Es gibt zudem große Gehaltsdifferenzen innerhalb "gleichwertiger" Positionen, die nicht anders als mit Sympathie zu erklären sind - mit Qualifikationen jedenfalls nicht.
Image
In der Szene gilt der Verlag als Vorreiter der Digitalisierung.
Karriere/Weiterbildung
siehe "interessante Aufgaben"