Nette Leute, toxische Geschäftsführung
Gut am Arbeitgeber finde ich
Die Zeit dort hat meinen musikalischen Horizont sehr erweitert, und ich habe sehr viele interessante Gespräche über Musik geführt.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Es gibt viele Firmen, die trotz Zwang zur Gewinnmaximierung ethische Grenzen einziehen und strategisch und langfristig mit guten Leuten planen. Der Verschleiß der Mitarbeitenden (sowohl was die Befristung als auch was die Gesundheit angeht) müsste nicht sein, auch nicht im Kapitalismus. Es ist wirklich traurig mit anzusehen, wie Gier, Narzismus und Beratungsresistenz das Klima in der Firma vergiften. Es könnte so viel besser sein.
Die Diskrepanz zwischen Fremd- und Eigenwahrnehmung seitens des Geschäftsführers ist schon beachtlich.
Verbesserungsvorschläge
Professionelle Hilfe suchen, wird aber nicht geschehen. Die radikale Marktlogik wird der Inhaber nicht aufgeben, und deshalb wird sich an den Bedingungen auch immer nur was ändern, wenn es der Gesetzgeber vorschreibt (siehe Mindestlohn).
Arbeitsatmosphäre
Die Räumlichkeiten sind schön, und auch die Möglichkeit während der Arbeit Musik zu hören hat was für sich. Fokussiert mit 20+ Menschen in einem Großraumbüro zu arbeiten kann aber auch sehr schwierig und stressig sein, vor allem weil Quoten erfüllt werden müssen.
Kommunikation
Kommt drauf an. Innerhalb des Teams ganz gut. Mit der Geschäftsführung ein Totalausfall, geprägt von cholerischen Anfällen und haltlosen Versprechungen gegenüber den Mitarbeiter*innen.
Kollegenzusammenhalt
Die Abneigung gegen die Geschäftsführung schweißt zusammen, um daran was Positives zu finden. Auch sonst so gut wie alle immer hilfsbereit und umgänglich. Allerdings ist auch deutlich zu spüren, dass die allermeisten Menschen in dieser Firma nur befristet und in Teilzeit arbeiten für meistens knapp über Mindestlohn. Daraus kann kein langfristiter Zusammenhalt und kein wirkliches Teamgefühl entstehen.
Work-Life-Balance
Ok. Gibt bessere und schlimmere Jobs. Immerhin wird nicht am Wochenende (außer Samstag im Versand) gearbeitet, und die Zeiten sind berechenbar. Wer katalogisiert kann seinen Urlaub (gesetzlicher Mindesturlaub) sehr flexibel und spontan nehmen. Bei allen braucht es längeren Vorlauf und Vertretungslösungen.
Vorgesetztenverhalten
Man kann der mittleren Ebene im Unternehmen keine großen Vorwürfe machen. Sie müssen das Umsetzen, was der Geschäftsführer möchte. Und das heißt auch den Druck weitergeben, damit die Zahlen stimmen. Aber sie haben immer ihr Bestes gegeben, das möglichst wenig die Angestellten spüren zu lassen. Menschlich alle 1a.
Interessante Aufgaben
Wer Musik wirklich lebt und liebt, wird es bei recordsale interessant finden. Es gibt viel zu entdecken, und man ist von viel Musikwissen umgeben. Wer keinen oder wenig Bezug zu Musik und auch speziell Tonträgern hat, wird es dort nicht interessant finden. Und dann fällt mir auch kein Grund ein, warum man in der Firma arbeiten sollte.
Gleichberechtigung
Bei der Einstellungspraxis wird durchaus auf Diversität und Frauenanteil geachtet, was bei der Nische des Thema eine Herausforderung ist. Die Führungspositionen werden in der Regel mit mittelalten, weißen Männern besetzt. Da steckt die Denke noch tief in den 90ern.
Umgang mit älteren Kollegen
Kommt praktisch nicht vor. Versand ist körperlich stark fordernd. Katalogisierung erfordert einen sehr geübten, flotten Umgang mit dem Computer über Stunden. Abgesehen davon ist nicht davon auszugehen, dass es eine Altersdiskriminierung gäbe.
Arbeitsbedingungen
Es wird den Menschen erstaunlich viel zugemutet. Im Versand ist es sowohl mal brüllend heiß im Sommer als auch richtig kalt im Winter. Bei der Katalogisierung kommt man mit extrem viel Schimmel in Kontakt, ohne dass dementsprechend Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Man merkt, dass kein Gedanke an die langfristige Gesundheit der Mitarbeitenden verschwendet wird. Warum auch? Die meisten sind jung und nach spätestens 2 Jahren endet das Beschäftigungsverhältnis. Die zynische Haltung des Geschäftsführers ist erkennbar, dass immer Profit vor Gesundheit der Mitarbeitenden priorisiert wird. Man könnte nämlich auch sehr viel strenger sein beim Einkauf bzw. der Katalogisierung schimmliger Platten, aber das würde die Gewinnmarge drücken.
Darüber hinaus ist Home Office komplett verboten, selbst bei den Aufgaben, bei denen es möglich wäre. Und je nach Talent sind die angelegten Quoten, was am Tag zu schaffen ist, sehr straff. Der Durchschnitt mag ok bis gut klarkommen. Das heißt aber auch, dass alle unterm Durchschnitt psyschisch unter starkem Druck leiden können, ihr Pensum zu schaffen. Da die Verträge nur jeweils für ein halbes Jahr geschlossen werden, ist die Angst vor Nichtverlängerung real
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Da wird gerne vorgeschoben, dass gebrauchte Waren handeln per se nachhaltig wäre. Dazu muss man aber sagen, dass z.B. beim Versand noch immer haufenweise Knallfolie eingesetzt wird, weil sie in der Anschaffung leicht günstiger ist als geschreddertes Papier / Pappe. So ähnlich verhält es sich mit Klebeband. Auf Umwelt wird nur geachtet, wenn es auch gleichzeitig Kosten senkt. Sobald es zusätzlich etwas kosten würde, wird es nicht gemacht.
Gehalt/Sozialleistungen
Die Mehrheit der Beschäftigten arbeitet für Mindestlohn oder knapp drüber. Die Mehrheit der Beschäftigten hat nur den gesetzlichen Mindesturlaub. Bonusprogramme sind undurchschaubar, und entweder nicht wirklich existent oder es kommt minimalst was dabei rum. Da der Geschäftsführer jedwede Ausgabe oder Investition in gute, langfristige Abreitsverhältnisse scheut, wird in keiner Position das Gehalt in einem fairen Verhältnis zur Arbeitsleistung stehen.
Karriere/Weiterbildung
Weiterbildungen im klassischen Sinne sind nicht vorgesehen. Es gibt interne Schulungen, um jeweils im eigenen Arbeitsgebiet besser zu werden. Allerdings sind das alles keine Themen, die einem außerhalb der Firma weiterhelfen würden. Es gibt auch keine Zertifikate oder sonstige Nachweise. Von Karriere kann man bei recordsale eigentlich auch nicht sprechen. Die allermeisten Leute machen dort mehr oder minder dieselbe Aufgabe über 2 Jahre und müssen dann gehen. Einige wenige können sich eine Nische in der Firma suchen, sodass es nach den 2 Jahren zur Festanstellung kommt. Insgesamt sind diese "Aufstiegschancen" aber wenig lukrativ, und unter den Bedingungen und des Verhaltens des Geschäftsführers möchte fast niemand längerfristig arbeiten. Das Personal fluktuiert extrem stark, und das auch bei denjenigen, die einen unbefristeten Vertrag bekommen haben.