Die Amerikanisierung des Arbeitsmarkts macht auch vor diesem Betrieb nicht halt
Gut am Arbeitgeber finde ich
Für einen frischen Uni-Absolvent ist dies ein ausgezeichneter Betrieb, um notwendige Erfahrungen für die weitere Karriere zu machen.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Das Ping-Pong mit HR verleiht dem Bewerbungsprozess eine unnötige Trägkeit, die nicht ganz wett macht, dass bereits das erste Gespräch mit künftigen Kollegen statt findet. Nicht sicher, ob der Bewerbungsprozess berücksichtigt, dass ein Bewerber auf mehrere Stellen passen kann und hier entsprechend Weitsicht und Flexibilität bei HR gefordert ist. Die Größe des Unternehmens, Anzahl der Abteilungen, sowie damit verbundene Vakanzen bedeuten nicht, dass ein interner Wechsel nur eine Formalie ist. Scheinbar ist man der Meinung, 100%-passende Fachkräfte am Arbeitsmarkt zu finden, weshalb man in schwachen Phasen lieber Stellen streicht und sich von internen Bewerbern trennt. Bei einem von mir angeworbenen Bewerber lief der Bewerbungsprozess in einer Form ab, dass ich mich distanzieren musste.
Selbst unternehmensweit etablierte Geschäftsprozesse sind fehleranfällig. Man lässt selbst gesetzte Fristen bei der Erstellung von Zwischenzeugnissen wiederholt verstreichen und benötigt 5 Monate für die Erstattung von Kantinen-Guthaben.
Verbesserungsvorschläge
Hausaufgaben machen. Mitarbeiter entsprechend ihrer Fähigkeiten und Tatendrangs einsetzen. Der Fachkräftemangel herrscht hier primär im Management, das dieses Potential nicht weiß effektiv einzusetzen. Die während des Onboardings intensiv propagierte Firmenphilosophie sollte auch vom Management vorgelebt werden.
Arbeitsatmosphäre
Das Team, in dem ich eingestellt wurde, war top. Ausgezeichnete Kollegen gibt es auch in anderen Abteilungen. Leider muss man sehr aufpassen, wem gegenüber man welches konstruktive Feedback äußert. Umstrukturierungen sind häufig, die eigene Arbeit entsprechend eher von Kurzfristigkeit geprägt.
Kommunikation
Es steht und fällt mit dem direkten Vorgesetzten. Wird es kritisch, leidet automatisch die Verbindlichkeit.
Kollegenzusammenhalt
Verlässt man das eigene Team, fühlt man sich wie im Haifischbecken. Es ist frustrierend zu sehen, wie Abteilungen gegeneinander arbeiten.
Work-Life-Balance
Es kommt auf den eigenen Vorgesetzten an.
Vorgesetztenverhalten
Es gibt ausgezeichnete Vorgesetzt, die sich vor dich stellen und eine eigene Meinung haben. Die Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit und Verbindlichkeit hängt aber stark von aktuellen Managemententscheidungen ab. Nicht sicher, ob in diesem Betrieb der horizontale Karrierepfad ein Thema ist. Ich habe den Eindruck, dass manche Führungskräfte aus Unkenntnis dessen vor eifrigen Mitarbeitern um ihre aktuelle Stelle Angst haben und entsprechend zu betriebsschädigendem Verhalten neigen.
Interessante Aufgaben
Interessante Aufgaben gibt es, wenn man seitens des Managements erwünscht ist. Andernfalls kann es sich lohnen, eine Nebentätigkeit genehmigen zu lassen.
Umgang mit älteren Kollegen
Der Altersdurchschnitt kommt mir bei den Kollegen ziemlich niedrig vor. Ältere Kollegen waren eher die Ausnahme.
Arbeitsbedingungen
Obwohl man sich als Startup darstellt, wird man von den technischen, wie organisatorischen Schulden der IT eines Großunternehmens ausgebremst. Über allem schwebt das Damoklesschwert der vor-Ort Arbeit. Die Großraumbüros sind ungünstig bei Videokonferenzen.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Mich beeindruckt das Verhältnis zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat. Letzterer hört bei Konfrontation mit dem Bellen auf. Ich habe den Eindruck, als hätte die Compliance primär die Aufgabe, negative Außenwirkung zu vermeiden, nicht aber deren Ursache.
Gehalt/Sozialleistungen
Risiko hat seinen Preis. Die Kantine ist top.
Image
Im Gespräch mit Externen war ich stets auf Skepsis gestoßen. Es gibt wohl viel aufzuräumen. Dem Flurfunk zufolge wird auch im Management aufgeräumt, wenn auch nach meinem Gefühl mit zu hoher Latenz.
Karriere/Weiterbildung
Kommt auf den Vorgesetzten an. Ich glaube, man begiebt sich lieber auf die lange Suche nach passendem Personal auf dem Arbeitsmarkt, als bereits eingestelltes mit Leerlauf weiterzubilden.