Unzählige vertane Chancen
Gut am Arbeitgeber finde ich
*fand ich: teilweise sehr nette Kollegen und Kolleginnen in unterschiedlichsten Abteilungen, es sind echte Freundschaften entstanden.
Viele mit ausgeprägtem Sinn für (frechen) Humor, was einige Schichten sehr angenehm gemacht hat.
Ein sehr gut ausgestatter, moderner Campus, eignete sich exzellent für Gespräche/Pausen.
Zentral gelegene Redaktion, sehr gut mit der S-Bahn oder verschiedenen Tramlinien zu erreichen, viele Einkaufsmöglichkeiten und Touristen-Highlights in Laufnähe.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
All die erwähnten Punkte.
Verbesserungsvorschläge
Vorschläge von Mitarbeitenden endlich mal ernstnehmen. Nicht jede/jeder will die vermeintliche "Wohlfühlatmosphäre" stören, sondern einfach nur helfen, die Arbeitsabläufe zu optimieren.
Doch man wird schnell als Störenfried abgestempelt, wenig verwunderlich, dass die Fluktuation extrem hoch ist, auch wenn gerne gesagt wird, dass das im schnelllebigen Online-Journalismus normal wäre (nein, ist es in der Form nicht).
Bitter für TAG24: viele wären trotz der von mir genannten Schwächen geblieben - bei etwas mehr Respekt, Wertschätzung und Treffen auf Augenhöhe.
Wie wäre es mal damit, nicht nur auf die Klickzahlen zu achten? Sondern zumindest mal ein bisschen auf Qualität? Ja, die meisten Userinnen und User legen darauf nur wenig Wert, das beweist der Erfolg der Seite, aber dass man sich immer wieder wundert, nicht endlos weiter zu wachsen, ist schon verrückt.
Es wäre außerdem gut, nicht immer Fantast-Ideen zu haben, sondern erst mal die Basics vernünftig umzusetzen, anzugehen und zu optimieren.
Arbeitsatmosphäre
Es war traurig mitzuerleben, wie engagierte neue Leute - inklusive mir - nach relativer kurzer Zeit desillusioniert waren/wurden. Leider gibt es einige Mitarbeitende, die anderen (bewusst) Mehrarbeit machen und nicht mal ein schlechtes Gewissen hatten.
Die Arbeit ist weitgehend eintönig, man sitzt im Office oder Homeoffice und schreibt einen Text nach dem anderen. Oder man baut Agenturmeldungen/Printartikel vor. Kurzum: Fließbandarbeit mit nur sehr wenig kreativer Energie.
Dementsprechend schlecht war schon damals die Stimmung.
Viele, mit denen ich zusammengearbeitet habe, haben TAG24 ebenfalls den Rücken gekehrt und sind froh darüber.
Kommunikation
Eine der größten Schwächen des Unternehmens. Auch nach jahrelangen, genervten Hinweisen der Mitarbeitenden gab es keinerlei Verbesserungen. Es gab zwar regelmäßige Zoom-Meetings, in denen allerdings die immer gleichen Basics erklärt wurden, weil einfach zu viele Mitarbeitende sie nicht beherrschten.
Für langjährige Redakteure waren diese Besprechungen einfach nur stinklangweilig.
Ansonsten musste man sich selbst in den vielen verstreuten Redaktionen in Deutschland ein Netzwerk aufbauen, wenn man mal Informationen erhalten oder wissen wollte, wie es an anderen Standorten läuft.
Aus der Führungsriege gab es manchmal Ansagen, die teilweise wenige Tage später schon wieder geändert, Ideen, die mit großem Eifer vorgetragen und ohne weitere Erklärung wieder verworfen wurden, was aber nicht zu allen durchgedrungen war - das regelmäßig daraus entstehende Chaos kann man sich gut vorstellen.
Kollegenzusammenhalt
Je nach Team durchaus gut, auch wenn es naturgemäßg fast überall Leute gab, die aus der Reihe tanzten und sich und ihre Anliegen über andere stellten.
Lästereien waren allerdings an der Tagesordnung, im direkten Gespräch freundlich, doch hinterm Rücken war der Tonfall ganz, ganz anders.
An sich hatte TAG24 aber eigentlich Glück, viele Mitarbeitende gefunden zu haben, die einander unterstützten - doch ein Großteil von ihnen ist mittlerweile weg. Wenig verwunderlich für mich.
Work-Life-Balance
In meinem Fall schlecht, weil ich damals immer wieder vielen Dingen hinterherrennen musste. Da ich - im Gegensatz zu TAG24 selbst -tatsächlich viel Wert auf eine qualitativ hochwertige Arbeit lege, sodass ich mit mir selbst zufrieden sein konnte und noch immer kann, habe ich in meinem Bereich immer wieder versucht, groben Schnitzern entgegenzuwirken.
Das war aus heutiger Sicht ein Fehler, denn gebracht hat es nichts, stattdessen habe ich mich unnötig (in meiner Freizeit) aufgerieben, geärgert und konnte nie so ganz abschalten, was auch an WhatsApp lag, worüber die Hauptkommunikation stattfand und noch immer stattfindet.
Das Frust- und später Wutlevel nahmen bei mir mit der Zeit gigantische Züge an.
Vorgesetztenverhalten
Ein Reinfall. Die direkte Chefin behandelte einen immer sehr gut, auf Augenhöhe, doch die beiden Personen, die höhergestellt waren, sorgten bei vielen Mitarbeitenden erst für Demotivation und später für Kündigungen.
In Feedback- bzw. Gehaltsverhandlungsgesprächen musste man sich anhören, warum man eine Lohnerhöhung nicht verdient.
Zudem war offensichtlich, dass sich der Chef überhaupt nicht mit meiner Arbeit befasst hatte, weil er bei mir und anderen dieselben Worthülsen benutzte und dachte, dass das nicht auffällt.
Es wurde nach dem Muster vorgegangen, was mir bei TAG24 immer wieder auffiel: mega-oberflächlich, schnell mal drübergucken und dann denken, das würde reichen. Nein, tut es nicht. Nicht mal ansatzweise.
Interessante Aufgaben
Redaktion, Redaktion, Redaktion. Irgendwann war ich davon so genervt, gelangweilt und ja, auch verzweifelt, dass ich interessante Termine an meinen freien Tagen wahrnahm, um mich zumindest ab und zu mal wie ein richtiger Journalist zu fühlen und nicht wie ein Billig-Boulevard-Schreibtischarbeiter.
Gleichberechtigung
Eine der größten Stärken, Frauen und Männer haben identische Chancen, aufzusteigen.
Umgang mit älteren Kollegen
Die wenigen älteren Kollegen und Kolleginnen wurden immer mit Respekt behandelt bzw. nicht schlechter, als Jungspunde.
Arbeitsbedingungen
Eine Bankrotterklärung. Ich musste oft für andere einspringen und konnte viele eigene Artikel bzw. gute Themen, die noch kein anderes Medium hatte, nicht schreiben oder nur mit unzähligen Unterbrechungen.
Es gab oft vor der Arbeit etwas zu tun und danach auch, wirklich Ruhe kehrte selten ein.
Eigentlich nur dann, wenn man sich abschottete. Auf Dauer war das natürlich auch nicht die Lösung.
Gehalt/Sozialleistungen
Ein schlechter Scherz. Ja, jede bzw. jeder hätte besser verhandeln können, weil es keinen Tarifvertrag oder ähnliches gibt, so viel Selbstkritik muss sein.
Doch wenn man in knapp fünf Jahren nur eine Gehaltserhöhung bekommt, sich anhören muss, warum man sie nicht verdient und sie dann so klein ist, dass sie auf dem Konto nicht wiederzufinden ist, sagt das viel über die fehlende Wertschätzung aus.
Die wird bei TAG24 leider ohnehin winzig klein geschrieben.
Die Grundgehälter sind sehr, sehr schlecht.
Image
Lieber niemandem sagen. Gerade nicht in Dresden. Ich hatte mein Aha-Erlebnis, als mir mehrere Kumpels eines Kumpels sagten, dass sie TAG24 nur wegen der Rechtschreibfehler lesen.
Wer einen findet, muss einen Shot trinken. Mehr als zwei Texte hätten sie niemals geschafft. Und das meinten sie nicht mal böse, sondern humorvoll.
Besonders traurig: das deckte sich mit meinen Erfahrungen. Ich hatte weder vorher noch nachher wieder einen Moment, indem ich mich so für meinen Arbeitgeber fremdschämte.
Letzteres kam allerdings noch einige Male vor, etwa, wenn man sich freute, wieder von Jan Böhmermann runtergemacht zu werden, das wurde als gute PR empfunden. Ich fand das einfach nur peinlich.
Karriere/Weiterbildung
Im Online-Redakteursbereich kann man Ressortleitender oder CvD werden, ob man das will, ist die andere Frage.
Schlau ist es nicht, denn bei TAG24 wird Spam-Journalismus betrieben. Nicht selten werden 300+ Artikel pro Tag rausgehauen, weshalb die CvDs mit dem Redigieren nicht hinterherkommen, auch organisatorisch war es immer sehr chaotisch.
Dass dann viele Fehler in den Texten stehen bleiben, verwundert nicht.
Leider wurde der Überbelastung nie entschieden entgegengewirkt.