Organisierte Verantwortungslosigkeit - nur als zeitlich befristeter Einstieg okay
Gut am Arbeitgeber finde ich
Zeitliche Flexibilität, netter Umgangston, gute Lage des Büros, Home-Office-Regelung vergleichbar mit anderen Arbeitgebern.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Fehlende Entwicklungsmöglichkeiten, monotone Aufgaben in der Begutachtung, keine Honorierung der individuellen Leistung (da keine Erfassung), vielfach keine Zuordnung von Verantwortlichkeiten für konkrete Aufgaben (für alles wird an "Runden" oder "Teams" verwiesen, sodass letztlich niemand etwas zu verantworten hat).
Verbesserungsvorschläge
Den Wunsch nach beruflicher Fortentwicklung und langfristigen Perspektiven ernst nehmen, statt "bore out" durch Monotonie, die krank machen kann, hinzunehmen.
Arbeitsatmosphäre
Einer der Vorteile: es geht meist freundlich und nett zu. Leistung zu bringen lohnt sich allerdings nicht, denn es findet keine individuelle Erfassung von Leistung zu einzelnen MitarbeiterInnen statt, sodass am Ende immer das ganze Team gelobt oder (selten) getadelt wird. Wer faul ist oder unsauber arbeitet, wird mitgelobt, selbst wenn die Leistung vielleicht nur halb so gut war wie die anderer KollegInnen. Die Büros sind wegen der Kernarbeitszeit, SaisonkollegInnen und begrenzter HO-Regelung oft voll besetzt, dadurch entsteht Lärm. Es besteht allgemein wenig Bestreben darin, als Unternehmen morgen besser zu sein als heute. An der Eingangstür hängt z.B. seit Jahren ein Aushang voller Schreibfehler, aber niemand fühlt sich verantwortlich, das zeitnah zu verbessern, auch wenn man das gegenüber Vorgesetzten kommuniziert. Mehr kann der einzelne Begutachter nicht tun.
Kommunikation
Wichtige Informationen werden zunehmend nur noch mündlich und unpräzise bei einem "Jour Fixe" mitgeteilt, aber nicht mehr per Mail. Zwischen den Abteilungen, insbesondere zwischen Begutachtung und IT, gibt es erhebliche Kommunikationsdefizite. Bei längeren Systemausfällen erfolgt nur unzureichende oder gar keine Information an die Begutachtung. Probleme müssen über ein Ticketsystem benannt werden, dadurch unklare Prioritäten und Ansprechpartner.
Kollegenzusammenhalt
Jeder macht seins, für viele ist es ein Brotjob, nicht mehr. Daher kann man nicht darauf hoffen, hier gemeinsam Verbesserungen durchzusetzen. Viele sind froh, wenn alles so bleibt, wie es ist.
Work-Life-Balance
Sobald man sich ausloggt, ist die Arbeit vergessen. In Hochphasen besteht eine (unnötige und nur durch Schiedsspruch herbeigeführte) zweistündige Kernarbeitszeit, sonst weitgehend freie Einteilung. Das Wirken von Betriebsrat und Gewerkschaft hat im Haus zu Verschlechterungen geführt, anders als früher ist freiwillige Samstagsarbeit durch den Tarifvertrag nur noch bis 13 Uhr möglich, unter der Woche darf nur noch bis 21 statt 22 Uhr gearbeitet werden. Dennoch insgesamt gute Balance, bietet sich besonders an, wenn neben der Arbeit noch ein Studium o.ä. beabsichtigt ist.
Vorgesetztenverhalten
Oberflächlich nett und kollegial, sobald man aber ein echtes Anliegen hat, landet alles in Ablage P. Es soll stur eine Akte nach der anderen bearbeitet werden, ohne sich in vermeintlich fremde Angelegenheiten einzumischen.
Interessante Aufgaben
Die Arbeit könnte, wenn man länger dabei ist, langweiliger kaum sein. Jeder Tag sieht gleich aus. Das "Highlight" sind die Einarbeitungen der befristeten KollegInnen. Gibt man sich Mühe, sind die meisten aber nach wenigen Monaten wieder weg und man fängt für das neue Semester von vorne an.
Gleichberechtigung
Je nach Team besteht teils erhebliche Ungleichheit des Geschlechterverhältnisses, es sind keine Maßnahmen erkennbar, das Geschlechterverhältnis mittel- bis langfristig auszugleichen (z.B. durch bevorzugte Neueinstellungen des jeweils anderen Geschlechts). KollegInnen, die früher bereits für den AG gearbeitet haben, werden gerne wieder eingestellt.
Umgang mit älteren Kollegen
In meinem Team gibt es keine KollegInnen über 50, daher kaum zu beurteilen. Die wenigen älteren KollegInnen im Haus sind alle schon länger dabei, es scheint also keine Trennungen aufgrund von Alter zu geben. Beförderungen für altgediente MitarbeiterInnen gibt es nicht, jeder muss sich bewerben.
Arbeitsbedingungen
Im Großen und Ganzen in Ordnung. Büros könnten besser ausgestattet sein, bei IT-Problemen im HO sitzt man hilflos da. Schön waren mehr Rückzugsmöglichkeiten in Einzelräume, um komplexere Fälle in ruhiger Umgebung bearbeiten zu können. Schön wären Möglichkeiten, den Arbeitsplatz individuell einzurichten. Ich habe nicht mal die Möglichkeit, mit ein paar Familienfotos an die Wand zu hängen.
Gehalt/Sozialleistungen
Vergleichbar mit Tätigkeiten an Hochschulen, es wird der TV-L angewendet. Zumindest in der Begutachtung gibt es keine Vollzeitstellen. Die Entfristungspolitik ist aber deutlich seriöser als früher. Die Gruselgeschichten aus dem Internet stimmen nicht mehr. Wer dauerhaft rein will, findet seinen Weg.
Image
Vor früheren KommilitonInnen verschweigt man den AG besser. Obwohl viele Vorwürfe, die z.B. von Hochschulgruppen lanciert werden, nicht mehr aktuell oder unbegründet sind.
Karriere/Weiterbildung
Einmal Begutachtung, immer Begutachtung, sofern man nicht von vornherein eine Qualifikation mitbringt, die für die Übernahme von Führungspositionen geeignet ist. Sonst ist nur die horizontale Veränderung in andere Länderbereiche möglich. Mentoring oder Traineeships für höhere Stellen gibt es nicht. Wer in Jahresgesprächen bettelt, kann sich für seine Begutachtungstätigkeit einen Sprachkurs finanzieren lassen, um die Originalzeugnisse besser zu sichten.