Ein auf Sand gebautes Kartenhaus aus Licht und Schatten
Gut am Arbeitgeber finde ich
Eine grundsätzlich tolle Mission für eine gute Sache. Guter Zusammenhalt, besonders in den technischen Abteilungen. Weitestgehende Toolfreiheit im technischen Arbeitsalltag.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Die Mission scheitert leider in der Umsetzung. De facto ist das Unternehmen ein ganz normales Wirtschaftsunternehmen, das sein Geld eben mit Open Source-Produkten anstelle proprietärer Software verdient. Mir ist kein Kunde bekannt, der wirklich selbst Anpassungen vornimmt, geschweige denn diese Änderungen auch zurück in das Kernprodukt spielt. Dazu dauerhaft zu hohe Arbeitsbelastung, unklare Verantwortlichkeiten, geringes Gehalt, und Weiterbildungen nicht realistisch machbar. Es wirkt, als werden die meisten der letzten positiven Bewertungen hier aus HR/Marketing verfasst, da konkrete Bezugspunkte fehlen.
Verbesserungsvorschläge
Trotz des zuletzt starken Wachstums eine Umstellung auf nachhaltiges und gesundes Entwickeln anstelle des Verplanens „menschlicher Ressourcen und Kapazitäten“ weit über den tatsächlichen Möglichkeiten des Unternehmens.
Arbeitsatmosphäre
Drei Sterne, aber auch nur, weil der direkte Zusammenhalt – gerade in Stressphasen – hervorragend ist. Unabhängig von der Abteilung muss ständig mit unklaren und viel zu umfangreichen Anforderungen und Änderungen – gerne auch mitten im Projektverlauf – gerechnet werden. Es wird damit kalkuliert oder mindestens darauf spekuliert, dass Mitarbeitende weitaus mehr arbeiten als gesund wäre – und das wird auch noch in einem ähnlich toxischen Ausmaß gelobt. Grade bei Führungskräften, die sich als „modern“ verstehen, sollte man davon ausgehen können, dass sie die Erwartung verstehen, die durch ihre Kommunikation (oder das Ausbleiben) erzeugt wird.
Kommunikation
Es gibt regelmäßige Town Hall und „All Hands“-Meetings, in denen kritische Themen in der Regel aber maximal angeschnitten werden. Vermeintlich gute Punkte – seien sie auch noch so marginal – werden stark überspitzt kommuniziert. Man redet zwar gelegentlich über Probleme, als Mitarbeiter außerhalb der Führungsriege hatte ich jedoch selten den Eindruck, zu wissen, welche konkreten Maßnahmen mit welcher Intention in welchem zeitlichen Rahmen ergriffen werden. Abgesehen von „mehr Leute einstellen“, was ja auch eher selten sofort funktioniert.
Kollegenzusammenhalt
Zumindest im technischen Bereich der mit Abstand beste Punkt am Unternehmen. Vermutlich auch, weil alle wissen, wie es sich anfühlt, bis weit über die Grenzen eigener Belastungsfähigkeit zu arbeiten. Die Planung, die stattfindet, ist über den Kapazitäten der Fachabteilungen, man gibt sich als „Getriebener des eigenen Erfolgs“, anstatt einfach mal „Nein, geht nicht“ zu sagen.
Work-Life-Balance
Ein schwieriges Thema. Sehr kleinteilige Zeiterfassung und Buchung. Abteilungsübergreifend ein Arbeitspensum, das realistischerweise nicht ohne Einsatz von Überstunden erreicht werden kann. Da nicht im gleichen Tempo neue Leute eingestellt werden können, wie Projekte dazu kommen, springt man am Tag zwischen 3 und 7 Projektkontexten hin und her. Das ist nicht für jeden etwas. Die großzügige Homeoffice-Regelung ist allerdings wirklich gut. Und immerhin ist mir keine Abteilung bekannt, die sich zurücklehnen könnte, die Belastung ist überall gleichermaßen hoch.
Vorgesetztenverhalten
Es gibt regelmäßige 1:1-Gespräche, in denen zumindest versucht wird, neben dem Workload auf individuelle Entwicklungsmöglichkeiten zu achten. In welches Team man aber gerät – und damit auch, welcher Vorgesetzte damit einhergeht – beeinflusst diesen Faktor massiv und ist ein ziemliches Glücksspiel.
Interessante Aufgaben
Die Arbeitslast ist extrem hoch, es gibt aufgrund der Projektsituation kaum Raum, Problemen nachhaltig und mit sauberen, wartbaren Lösungen zu begegnen. Provisorien und Speziallösungen werden teils seit Jahren vor sich hergeschoben in der Hoffnung, dass das Konstrukt nicht zusammenkracht. Grundsätzlich gibt es viele spannende Themen, leider werden aber häufig Dinge „mit der heißen Nadel gestrickt“ und sich nicht die Zeit für solide Grundlagenarbeit genommen, die robuste, zukunftsfähige und nachhaltige Software nötig wäre.
Gleichberechtigung
Besonders in technischen Umfeldern ist der interne Umgang mit Frauen, besonders Quereinsteigerinnen, teilweise haarsträubend. Das schlägt sich nicht zuletzt im Gehalt nieder, aber auch beim Naserümpfen über gehäuftes Vorkommen von Arztterminen oder Krankheitstage von Kindern und unangemessene Nachfragen dazu.
Umgang mit älteren Kollegen
Soweit ich das beurteilen kann, ist der Umgang mit älteren Kollegen und Kolleginnen in Ordnung. Die Vermutung liegt nahe, dass dies nicht zuletzt aufgrund des ausbaufähigen Wissensmanagements (viel Wissen steckt in Köpfen statt in Prozessen oder Dokumenten), geschieht. Jeder dienstalte Kollege, der geht, nimmt nicht nur seine jetzigen Skills mit, sondern auch zahlreiche, anderen Kollegen unbekannte Abkürzungen zu Problemlösungen.
Arbeitsbedingungen
Ich kann mich an keine Woche erinnern, in der nicht irgendein mehr oder weniger wichtiges internes System ausgefallen ist. Die interne IT ist da sehr kompetent, freundlich, schnell und löst die Probleme meist auch ad-hoc, aber hier wird eher reagiert als strukturiert geplant – auch aus Zeitgründen. Immerhin lebt man intern den Open Source Gedanken, mit allen Vor- und Nachteilen, den solch ein Tool-Wildwuchs mit sich bringt. Das Beantragen produktivitätssteigernder Entwicklungs-Tools zieht Kommunikation mit sich, die in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Lizenzkosten der Tools steht, das ist sehr ermüdend.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Es wird viel für den guten Anschein nach außen hin getan. Bei den meisten Dingen bleibt auch tatsächlich ein positiver Impact hängen. Innerhalb der Firma wird konsequent gegendert, die Haltung dahinter und der Grund dafür ist aber nicht jedem in der Firma klar. Aber das zu erwarten, wäre vermutlich auch zu viel verlangt. Bremen ist nicht Berlin.
Gehalt/Sozialleistungen
Die Gehälter werden pünktlich bezahlt, liegen aber im überschaubaren und teilweise unverschämt niedrigen Bereich, besonders bei Quereinsteigenden und im Professional Service. Ein relativ amüsanter Faktor, da hier mit den Kunden eigentlich neben dem Subskriptionsgeschäft der Hauptumsatz in der Firma gemacht wird.
Image
Das Image nach außen hin ist gut, nicht zuletzt durch verschiedene Veranstaltungsformate wie den Summit. „Open Source“ klingt auch immer gut und unterstützenswert. Man kann allerdings darüber diskutieren, ob das Verständnis „Digitaler Souveränität“, das das Unternehmen propagiert, nicht eher ein „Nehmt den Konzernen die Macht und gebt sie uns“ ist als eine Überführung der Souveränität an die Bürger, aber das sprengt hier den Rahmen.
Karriere/Weiterbildung
Absolut unangemessene Behandlung des Themenkomplexes Karriere und Weiterbildung. Hier wird an jeder Ecke gespart und mit einer pseudo-nützlichen Udemy-Mitgliedschaft Augenwischerei betrieben. „Weiterbildung ist uns sehr wichtig“, aber bitte nur außerhalb der Arbeitszeit. Sich von erfahrenen Kollegen in Eskalationen helfen lassen ist KEINE Weiterbildung, auch wenn es toll ist, dass einem geholfen wird.