Es ist kompliziert. Wer weiß worauf er sich wirklich einlässt, kann hier auch Spaß haben. Glücklich wird man aber nicht.
Gut am Arbeitgeber finde ich
Das gut gelegene Büro mit den Annehmlichkeiten wie Kühlschrank mit Getränken. Die Kanzleireisen und die Feiern.
Schlecht am Arbeitgeber finde ich
Die oben genannten Punkte sind ein Auszug der vielen Widersprüchlichkeiten. Die Kanzlei sagt das eine, aber macht das andere, um die Nachteile einer klaren Positionierung (insb. bzgl. Gehalt, Arbeitszeit, Umsatzerwartung, Work-Life-Balance) zu vermeiden. Es fehlt eine klare Linie und offene ehrliche Kommunikation der tatsächlichen Anforderungen.
Verbesserungsvorschläge
Die "Abstimmung mit den Füßen", insbesondere der Berufsträger, und sonstiges Feedback aller Angestellten ernst nehmen. Die Probleme werden benannt und sind daher bekannt, trotzdem ändert sich zu wenig und vor allem zu langsam. Es fehlt insbesondere ein Karrierekonzept, das Berufsträger zu echten Beraterpersönlichkeiten aufbaut und sie dazu bringt, bleiben zu wollen. Meines Erachtens müsste es ein Mentoringprogramm geben, was (berufs-) erfahrene Berater voraussetzt, die ihr Wissen weitergeben und Wege in die Partnerschaft aufzeigen. Nebenbei müssten marktübliche Gehälter gezahlt werden und das Bonussystem so angepasst werden, dass gute Arbeit an guten Mandaten vergütet wird und nicht das stumpfe Abarbeiten kleinerer Fälle.
Arbeitsatmosphäre
Es hängt, das ist auch verständlich, sehr viel vom Umsatz ab. In meinen Augen allerdings zu viel. Denn es wird sehr schnell sehr ungemütlich, auch wenn der Umsatz einmal unverschuldet geringer ausfällt als der erwünschte Nettohonorareingang des dreifachen Arbeitgeberjahresbrutto (z.B. durch längere Krankheit oder längere als vom Arbeitgeber gewünschte Elternzeit).
Kommunikation
Interne Kommunikation erfolgt vor allem durch monatliche Rundschreiben ("Insights"). Ab und an gibt es auch Meetings, in denen wichtige Änderungen/Neuerungen bekannt gegeben werden. Meistens ist der Flurfunk mit der ungeschönten Wahrheit und wichtigen aber leider fehlenden Details viel schneller als die "Salami-Taktik" der Geschäftsleitung.
Kollegenzusammenhalt
Die hohe Personalfluktuation macht es zunehmend schwerer. Die Zusammenarbeit unter Kollegen ist größtenteils noch gut, auch wenn die Stimmung über die Zeit merklich nachgelassen hat. Kanzleireisen und Feiern mit Personen, die man nicht kennt, sind auch nur mäßig spannend. Und es gibt natürlich die üblichen Probleme, die es überall gibt. Problematisch finde ich aber, dass es wegen des Themas Umsatz verstärkt Reibereien zwischen Teams gibt, die ähnliche Rechtsgebiete bearbeiten. Die Ellenbogenmentalität hat leider sehr stark zugenommen.
Work-Life-Balance
In der Probezeit gibt es keine Balance, danach hängt es sehr stark von einem selbst ab, inwiefern man sich dem konstanten Umsatzdruck entgegenstemmen möchte. Die Umsatzvorgaben sind sehr hoch (Nettohonorareingang des dreifachen Arbeitgeberbruttos) und nur zu erreichen, wenn man weit mehr als die angepriesene 40 Stunden Wochen arbeitet oder auf Urlaub und Krankheit verzichtet.
Vorgesetztenverhalten
Je nachdem mit wem man es zu tun hat, reicht das Verhalten in Konfliktsituationen von super bis stark verbesserungswürdig. Leider haben Vorgesetzte wenig Möglichkeiten der Einflussnahme sobald es um das liebe Geld geht. Die Ziele, d.h. vorrangig die Umsatzerwartung, werden von der Kanzleileitung vorgegeben. Verhandlungsspielraum besteht nur hinsichtlich irrelevanter Dinge (z.B. Anzahl der Blogbeiträge, die man schreiben muss).
Interessante Aufgaben
Von einer Kanzlei, die in mehreren Rechtsgebieten führend sein will, hätte ich mehr erwartet. Es sind leider sehr viele kleinere Mandate mit Routineaufgaben abzuarbeiten. Größere Mandate gibt es kaum, vor allem auch deshalb, weil die Akquise fast nur über die Webseite stattfindet. Ab und an gibt es natürlich auch spannende Aufgaben, die zusammen mit mehreren Teams bearbeitet werden. Es überwiegt aber die Routine, auch um den geforderten Umsatz erbringen zu können. Interessant ist es allerdings immer wieder Honorardiskussionen mit Mandanten führen zu müssen, weil diese nicht verstehen wie banale Dinge wie E-Mailablage (das müssen Berufsträger selbst machen) mit mindestens 250 Euro Stundensatz abgerechnet werden o.ä.
Gleichberechtigung
Wer Umsatz bringt, wird gefördert - unabhängig vom Geschlecht. Und auch wenn es um das Thema Elternzeit geht werden keine Unterschiede bzgl. der Geschlechter gemacht. Diskussionen um Lage und Dauer gibt es sowohl bei Männern als auch bei Frauen und das trotz diverse Auszeichnungen als "familienfreundlicher Arbeitgeber".
Arbeitsbedingungen
Die technische Ausrüstung ist mit einem Arbeitshandy, einem Laptop und zwei Monitoren vollkommen ausreichend. Tabletts gibt es leider keine. Auch an den Büroräumen im Tower 185 gibt es nichts auszusetzen. Gut ist, dass es kostenlos einen regelmäßig befüllten Kühlschrank für Getränke (Bier, Softdrinks, Säfte), akzeptablen Kaffee und einen Obstkorb gibt.
Die tatsächlichen Arbeitsumstände (Stress wegen Umsatzdruck) und mangelnder interner Kommunikation sind leider im Vergleich viel schlechter.
Umwelt-/Sozialbewusstsein
Es gibt Fortschritte (papierlose Rechnungen), das papierlose Büro ist leider immer noch nicht umgesetzt. Das liegt zum Teil auch an den chaotischen Arbeitsabläufe über mehrere Standorte und verschiedene Systeme (Addison/DATEV).
Gehalt/Sozialleistungen
Das Fixum ist vergleichsweise niedrig, das soll der Bonus in der Theorie wieder kompensieren. Das System hatte sich in der Vergangenheit mal mehr, mal weniger stark geändert. Mittlerweile wird neben dem Tischumsatz (erwartet wird ein Nettohonorareingang des dreifachen Arbeitgeberbruttos) auch der Teamumsatz und das Kanzleiergebnis berücksichtigt. Weil der Bonus jedes Jahr neu gestaltet werden kann (und meiner Erfahrung auch wird), macht das in der Gesamtschau eine Planung schwer, was das ganze in meinen Augen unattraktiv macht. Wer GK-Umsätze verlangt, sollte auch entsprechend zahlen.
Image
Man lebt von dem Ruhm vergangener Jahre und versucht, das muss man leider so sagen, zu blenden. Beispielsweise brüstet man sich mit Standorten in Weltstädten wie Aalen, während in den Großstädten (Berlin, Hamburg und Karlsruhe) nur Konferenzräume angemietet sind. Für die Mandanten, die über die Webseite akquiriert werden, ist das Image anscheinend gut genug. Für die Mandanten, die man haben will ("Zielmandanten") ist es, (leider zu Recht) nicht mehr so gut wie früher. Und leider hat es sich mittlerweile herumgesprochen, dass die Halbwertszeit von Angestellten nicht so hoch ist und die Bearbeitungsqualität und -dauer entsprechend leiden. Bei den Mitbewerbern sieht es ähnlich aus, hinter vorgehaltener Hand wird gewitzelt. Entsprechend werden vornehmlich Mitarbeiter eingestellt, denen der Ruf der Kanzlei, die man im Lebenslauf hat, nicht so wichtig ist.
Karriere/Weiterbildung
Für Berufseinsteiger (< 3 Jahres Berufserfahrung) eigentlich ein Traum: Frühzeitig selbst Verantwortung übernehmen, eigenständiger Kontakt zu Mandanten, d.h. auch die Möglichkeit einen eigenen Business Case aufzubauen. Die Kehrseite ist allerdings fehlendes Mentoring und der sprichwörtliche Sprung ins kalte Wasser. Man lernt dadurch sehr viel, aber leider auch sehr viel falsches. Tatsächlich kann man sich aber einen eigenen Business Case aufbauen, wenn man motiviert genug ist und die eigene Freizeit ins Marketing bzw. Personal Branding investiert. Das Fortbildungsbudget reicht für die FAO-Fortbildung. Ein Fachanwaltskurs oder LL.M. muss individuell ausgehandelt werden, was entsprechende Umsätze voraussetzt. Vorträge finden zumeist virtuell und bei kleineren Anbietern statt. Publikationen werden kaum gefördert. Für Berufserfahrene (> 3 Jahres Berufserfahrung) sieht es mau aus. Es gibt kein Karrierekonzept. Leitungspositionen sind rar gesät oder aus Gründen seit längerem vakant.